Wie lässt sich der Heilungsprozess verletzter Gewebe und Organe effektiv unterstützen? Kann verlorenes Gewebe regeneriert werden? Wie erstellt man solide Protokolle, die für alle Stammzelltherapien gelten? Mit einem Einzelzell-Atlas geben Forschende der Universität Zürich nicht nur Antworten auf diese Fragen, sie eröffnen mit zellbasierten Therapieansätzen auch neue Wege für die klinische Praxis.
Erstmals erstellte ein Forscherteam einen kompletten Atlas sämtlicher Zellen (Abb. 1), die in menschlichen Zähnen vorkommen. Sie fanden heraus, dass sich Zahnmark und Zahnhalteapparat zellulär stark unterscheiden.
In den letzten 30 Jahren zog die medizinische und zahnmedizinische Forschung zahlreiche Wissenschaftler und Praktiker an, die mit genetischen und geweberegenerativen Ansätzen arbeiten. Die neuen Entwicklungen im Bereich der Stammzellen und der Gewebezüchtung brachten neue Einblicke und Ideen hervor, wie die klinische Praxis verbessert werden kann.
Zellen des menschlichen Zahns auf Stufe Einzelzelle sequenziert
Ein Forschungsteam unter der Leitung von Thimios Mitsiadis, Professor am Institut für Orale Biologie der Universität Zürich, und Andreas Moor, Professor am Departement für Biosysteme und Ingenieurwissenschaften der ETH Zürich, hat nun den ersten Einzelzell-Atlas der menschlichen Zähne erstellt (1). Dank der Kombination von fortschrittlicher Sequenzierungstechnologie und moderner Zahnmedizin konnten die Forschenden jede einzelne Zelle unterscheiden, die Teil der Zahnpulpa und des Zahnhalteapparates ist. „Unsere Studie zeigt die genaue Zusammensetzung dieser beiden Gewebe. Beide sind anfällig für Karies und Parodontitis und enthalten gleichzeitig Stammzellen, die ein grosses regeneratives Potenzial besitzen“, erklärt Pierfrancesco Pagella, einer der beiden Erstautoren und leitender Forscher im Team Mitsiadis.
Heterogene Zelltypen
Die Studie zeigte, dass die Zelltypen im Zahnmark und im Halteapparat sehr heterogen sind. Überraschenderweise sind die molekularen Signaturen der Stammzellpopulationen jedoch sehr ähnlich. „Wir vermuten, dass das unterschiedliche Verhalten einzelner Zelltypen durch ihre jeweilige Umgebung hervorgerufen wird“, sagt Pagella. Die spezifische Zusammensetzung des zellulären Mikromilieus ist daher wohl verantwortlich für die großen funktionalen Unterschiede der Stammzellen in den verschiedenen Zahnkompartimenten.
Neue zellbasierte zahnmedizinische Therapien möglich
Der neue Atlas stellt einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der komplexen, zellulären und molekularen Zusammensetzung des menschlichen Zahngewebes dar. Er hilft, die Interaktionen von Zahnpulpa- und Parodontalzellen besser zu verstehen, die an der Immunantwort auf bakterielle Angriffe beteiligt sind. „Die Einzelzell-Analyse könnte nicht nur für diagnostische Zwecke nützlich sein und die Früherkennung von Zahnerkrankungen unterstützen, sondern auch zur zellbasierten Regeneration von beschädigten Teilen der Zähne beitragen“, erklärt Letztautor Thimios Mitsiadis.