Die Fortbildung zur Dentalhygienikerin (DH) gibt es in Deutschland seit ca. 26 Jahren. Dennoch gibt es nur rund 1.500 aktive DHs (Quelle: Umfragewerte von Prof. Einwag, 2019) im Vergleich zu ca. 72.500 tätigen Zahnärzten (BZÄK). Dabei ist das Berufsbild DH unverzichtbar in der Prävention oraler Erkrankungen sowie in der Begleitung und Therapie von Patienten mit parodontalen Erkrankungen. Doch so klar wie heute war meine Sichtweise vor meiner Aufstiegsfortbildung nicht.
Sorgen und Überlegungen vor der Weiterbildung
Der Brief mit dem Ergebnis der DH-Aufnahmeprüfung war zu Hause angekommen. Seit Tagen wartete ich schon mit großer Spannung auf das Schreiben. Die erste Hürde war genommen, die Prüfung war bestanden.
Die zweite Hürde war aber die viel größere, ich musste meine Arbeitgeber noch von meinem Vorhaben überzeugen. Den Wunsch des Weiterlernens hatte ich schon angesprochen. In der Zwei-Behandler-Praxis und unserer sehr ländlichen Region war mein Chef der Überzeugung, dass eine DH überqualifiziert ist.
Dazu kam die Sorge, kann ich die DH-Fortbildung finanziell tragen? Regional orientiert hatte ich mich für ein Institut mit berufsbegleitendem Lehrgang entschieden. Meine Stunden aus der Vollzeitstelle mussten reduziert werden. Bei einer Fortbildungsdauer von einem Jahr war der Präsenzunterricht donnerstags bis samstags. So blieb mir die Zeit von montags bis mittwochs, um in der Praxis tätig zu sein.
Raus aus der Komfortzone, wollte ich das wirklich? Die Überwindungsgrenze lag hoch. Geplagt von inneren Sorgen über die entstehenden Kosten zu einem vergleichsweise geschmälerten Einkommen, fühlte ich dennoch den starken Willen, mich weiterentwickeln zu wollen. Zu den kritischen Fragen kam noch eine Überlegung hinzu, ist mein Einsatzgebiet als DH wirklich so viel größer als das der ZMP?
Ich suchte das Gespräch mit meinen Arbeitgebern. Immer noch nicht überzeugt von dem Einsatz einer DH in der Praxis, bekam ich dennoch selbstlos grünes Licht: „Weiterlernen ist eine gute Entscheidung!“ Die Zusicherung einer Anstellung als Dentalhygienikerin gab es allerdings nicht. Gedanklich stellte ich mich darauf ein, mir nach der Weiterbildung eine neue Stelle mit deutlich längerem Arbeitsweg als bisher suchen zu müssen.
Die Zeit der Weiterbildung zur DH
In den ersten Tagen der Fortbildung hatte ich eine absolute Reizüberflutung. Der Input, die vielen Referenten, die Uniklinik, es waren unzählige Eindrücke, die auf mich einprasselten. Doch ich war unglaublich glücklich, dass ich meinem inneren Wunsch nachgekommen war und mein Hintergrundwissen sich Tag für Tag erweiterte.
Schon nach kurzer Zeit stellte sich heraus, dass wir ein sehr homogener Kurs waren und wir lernten, an einem Strang zu ziehen. Viele meiner Kurskolleginnen sind heute gute Freundinnen von mir.
Eine gute Stütze ist der Zuschuss aus dem Meister-Bafög
Das Jahr der Fortbildung war sehr intensiv, das Privatleben wurde stark zurückgefahren. Ich arbeitete die ersten drei Wochentage 30 Stunden in der Praxis, die weiteren drei Tage hatten wir Unterricht. Meine Freizeit nutzte ich zum Lernen. Ich freute mich über die Unterstützung aus dem privaten Umfeld.
Das finanzielle Problem erwies sich als gegenstandslos, denn Zeit zum Geldausgeben gab es nicht. Eine gute Stütze ist der Zuschuss aus dem Meister-Bafög, dieser tilgt einen Großteil der Fortbildungskosten.
Vorteilhaft an der berufsbegleitenden Weiterbildung ist, dass man das neu Erlernte nach und nach in der Praxis anwenden und festigen kann. Gemeinsam konnten wir in kleinen Schritten das Prophylaxekonzept und die Struktur für Patienten mit parodontalen Erkrankungen anpassen.
Prüfungsfächer wie Chemie bereiteten mir anfänglich wenig Freude. Doch schon nach kurzer Zeit waren fachübergreifende Zusammenhänge erkennbar. Ich stellte fest, dass jedes Fach seine Berechtigung hat, um das große Ganze zu verstehen. Das Fachwissen stieg und motivierte uns. Jede Prüfung war eine neue Herausforderung und eine kleine Etappe zum großen Ziel. Nach dem anfänglichen theoretischen Schwerpunkt der Fortbildung ging es fließend in den überwiegend praktischen Teil über. Zunächst gab es einen vorklinischen Anteil, das bedeutet, dass wir das Deep Scaling und die Befundaufnahme am Phantomkopf geübt haben. Ich habe die intensive Zeit der Patientenbehandlung von fast 400 Stunden in der Uniklinik genossen. Die unzähligen Eindrücke habe ich als lehrreiche Erfahrung empfunden. Viele unserer Patienten hatten umfangreiche Anamnesen. Ich konnte Sicherheit für den Praxisalltag gewinnen. Im Umgang mit den Patienten war es hilfreich, meine bisherigen Erfahrungen als ZMP einfließen zulassen.
Das zu erlernende Fachwissen war umfassend und erforderte viel Eigeninitiative in Form von Literaturrecherche. Schon zu Beginn der Weiterbildung fing ich an, mir mein eigenes Kompendium zu schreiben. Ich summierte und ordnete Literatur aus verschiedensten Quellen (Bücher, Skripte, Internet) zu relevanten Themen. Kurz vor der Abschlussprüfung hatte ich aus dem Chaos in meinem Kopf eine klare Struktur gestrickt. Gut gewappnet und sortiert zog ich in die Abschlussprüfungen. Mit vollem Erfolg, die Patientenbehandlungen und das Fachgespräch waren bestanden.
Zurück in der Praxis als DH
Das Tätigkeitsfeld der DH ähnelt dem der ZMP, dennoch nehme ich meine Arbeit seitdem anders wahr. Durch das erlangte Fachwissen in Ergänzung mit einem geschulten Auge fällt mir vieles leichter.
Meine Beratungsgespräche haben an Effektivität gewonnen. Die Adhärenz des Patienten ist durch eine kompetente und überzeugende Beratung deutlich gestiegen. Spürbar ist das unter anderem bei Patienten mit parodontalen Erkrankungen. Parodontitis ist eine stille Erkrankung. Das bedeutet: Die Patienten haben zu Beginn der Erkrankung keine Beschwerden. Die Diagnose erfolgt in der Zahnarztpraxis durch den PSI (Parodontaler Screening Index). Oft noch unbemerkt, muss der Patient von dem Vorhandensein seiner Erkrankung überzeugt werden. Schon in der Stufe 1 (PMPR = professionelle mechanische Plaquereduktion) der parodontalen Therapie können Kosten für den Patienten entstehen, ebenso in der Stufe 4 (UPT = unterstützende Parodontitistherapie). Die neue PAR-Behandlungsstrecke der KZBV wird diesbezüglich eine Unterstützung werden und schließt damit eine Therapielücke der GKV.
Für eine effektive und nachhaltige Therapie ist die kontinuierliche UPT unerlässlich. Mit Empathie und Selbstsicherheit kann die Akzeptanz des Patienten für den lebenslangen Behandlungsweg geschaffen werden. Das individuelle Risikoprofil des Patienten lasse ich in die Beratungsgespräche einfließen.
Die Stufe 2, die subgingivale Instrumentierung (nicht-chirurgische PAR-Therapie) nach Delegation selber durchführen zu können, verschafft mir einen großen Vertrauensvorschuss beim Patienten für die nachfolgende (kosten-)intensive UPT. Die Adhärenz des Patienten für die Permanenz der Nachsorge steigt. Ziel einer erfolgreichen PAR-Therapie sind die Taschensondierungstiefen (TST) < 4 mm. Mögliche persistierende Taschen > 4 mm kann ich als DH in dieser Therapiestufe reinstrumentieren.
Seit der DH-Fortbildung freue ich mich, Zusammenhänge von Medikamenten und Allgemeinerkrankungen bezüglich oraler Strukturen besser erkennen und einschätzen zu können. Ätiologische Einflüsse von Allgemeinerkrankungen auf Parodontitis, Mundtrockenheit als Nebenwirkung von Medikamenten und weitere Risikofaktoren sind keine Seltenheit. Die Anamnese ist ein wunderbares Instrument für eine qualitätsbewusste Behandlung nach individuellem Risikoprofil. Gleichzeitig ist es ein wirtschaftlicher Gewinn für die Praxis. Aus der Anamnese gefilterte Risikopatienten können für präventive Maßnahmen rekrutiert und in ein Prophylaxekonzept eingebunden werden.
Qualität, Patientenzufriedenheit und Wirtschaftlichkeit steigen
Im Hinblick auf den demographischen Wandel und die zunehmende Anzahl von multimorbiden Patienten, ist mir die Notwendigkeit unseres Berufsbildes erst während der Fortbildungszeit bewusst geworden. Wir entfernen uns immer weiter von der Zeit der Vollprothesen. Die Patienten halten die eigenen Zähne sehr viel länger und haben mit Hilfe von Implantaten festsitzende Versorgungen. Komplexe ZE-Konstruktionen benötigen häufig einen umfangreicheren Pflegebedarf und die Unterstützung der Prophylaxefachkraft.
Durch die Mithilfe bei der Befundaufnahme, Röntgendiagnostik und Therapieplanung kann ich meine Arbeitgeber unterstützen und ihnen einen Zeitvorteil verschaffen. In die Zusammenarbeit und eine gute Absprache im Team mussten wir uns erst einfinden. Nach konstruktiven Gesprächen und einer entstehenden Struktur erfreuen wir uns an einem funktionierenden Konzept und einer intensiven Patientenbetreuung.
Die Qualität, die Zufriedenheit der Patienten und die langfristige Wirtschaftlichkeit steigen. Die Fortbildung zur DH hat einen Mehrwert für den Patienten, die Mitarbeiterin und auch für die Zahnarztpraxis.
Arbeitsverhältnis nach der Weiterbildung als DH
Nach der Fortbildung konnte ich meine Vollzeitstelle wieder antreten. Bei Bestehen der Prüfung teilten meine Arbeitgeber mir mit, dass ich als DH in der Praxis bleiben kann. Ich hatte mir vorab schon eine Stelle auf geringfügiger Basis als DH gesucht. Während der Weiterbildungszeit wuchs meine Neugier. Bei so viel frischem Input hatte ich das Verlangen nach einem neuen Arbeitsumfeld. Kurze Arbeitswege und die Abwechselung aus dem zweifachen Arbeitsverhältnis waren komfortabel und eine positive Erfahrung. Ausgegangen war ich davon, ortsnah keine Anstellung zu finden.
Etwa ein Jahr nach meiner DH-Fortbildung bekam ich die Möglichkeit, als angestellte Dozentin in der Ausbildung von DHs und ZMPs tätig zu sein. Das war eine Chance, mit der ich nicht gerechnet hatte. Ich freute mich unglaublich auf den neuen Weg. Nun hatte ich drei Arbeitgeber. Erst reduzierte ich die Stunden meiner Vollzeitanstellung. Doch dann entschied ich mich schweren Herzens gegen die Praxis, in der ich 12,5 Jahre beschäftigt war. Mein Tätigkeitsfeld als DH war mittlerweile gut integriert und von der Praxis sehr geschätzt. Eine schwere und emotionale Entscheidung. Mein langjähriger Chef war/ist nicht nur ein hervorragender Arbeitgeber, sondern auch ein Freund für seine Angestellten.
Die Arbeit mit den angehenden DHs und ZMPs ist unglaublich erfüllend, die Kursteilnehmer bringen viel Motivation und Wissbegier mit. Die Lehr- und Praxistätigkeiten ergänzen sich gut, in der Praxis bin ich auf dem neuesten Stand und im Unterricht praxisnah.
Die Arbeit am Patienten bleibt die schönste Tätigkeit einer DH. Die Wertschätzung meiner Arbeitgeber in der Praxis ist enorm hoch und die Zusammenarbeit macht mir große Freude. Auf eigenen Wunsch habe ich die Referentenstelle aufgegeben, um die Praxisstunden zu erhöhen. In der Ausbildung von ZMPs und DHs (ZMP-Fortbildung an der Haranni Academie in Herne, DH-Fortbildung der ZÄK NR) bin ich immer noch tätig, allerdings als freie Referentin.
2019 wurde ich zur Vizepräsidentin des BDDH e. V. (Berufsverband deutscher DentalhygienikerInnen) gewählt. Der berufspolitische Einsatz für DHs in Deutschland ist für mich eine bedeutsame Aktivität.
Resümee
Häufig wird mir die Frage gestellt, ob ich bei all der Leidenschaft für meinen Beruf nicht noch Zahnmedizin studieren möchte. Natürlich gab es auch diesen Gedanken, das Abitur nachzuholen und den Versuch zu starten. Doch nach einigen Jahren Berufserfahrung als DH kann ich mit voller Überzeugung sagen, dass ich meinen Traumberuf gefunden habe. Der Beruf der Dentalhygienikerin unterscheidet sich in vielen Punkten von dem der Zahnärztin. Das Studium der Zahnmedizin ist auf die Behandlung und Therapie von oralen Erkrankungen ausgelegt. Doch das Herzstück jeder DH-Fortbildung ist die Prävention der Mundgesundheit. Es macht unglaublich viel Freude, patientenadaptierte Prophylaxekonzepte zu entwickeln und Patienten intensiv und langzeitig zu begleiten. In der UPT behandle ich Patienten im Intervall von drei bis vier Monaten. Meine Arbeitgeber kontrollieren natürlich jede Behandlung, zuvor habe ich viel Zeit mit dem Patienten verbracht mit dem Resultat einer starken Patientenbindung. Als Behandler trage ich eine große Verantwortung für meine Patienten, doch in letzter Instanz steht mein Arbeitgeber mit Rat, Tat und Hauptverantwortung zur Seite, das erleichtert mich.
Für mich ist es ein unbezahlbares Gefühl, Patienten aus dem Wartezimmer zu holen und sie tragen ein Lächeln auf dem Gesicht, weil sie sich freuen, mich wiederzusehen, das größte Gut meines Praxisalltags.
Während der DH-Fortbildung erfährt man neben der fachlichen auch eine persönliche Weiterentwicklung. Durch die intensive Zeit der Weiterbildung gewinnt man an Selbstsicherheit.
Aus vielen Kontakten –auch aus meiner Referentenzeit – weiß ich, dass jeder Praxisinhaber, der einmal eine DH in Anstellung hatte, diese auch nicht mehr missen möchte. Ich denke, es gibt keine DH, die den Schritt des Weiterlernens bereut hat!
DH Christin Damann
46414 Rhede