Seit einigen Jahren nimmt aus ökologischen und ökonomischen Gründen Nachhaltigkeit in der Zahnmedizin einen immer größer werdenden Stellenwert ein. Die Bundeszahnärztekammer engagiert sich immer stärker für die Ressourcenschonung im Gesundheitssektor.
Und auch viele Praxen sind gewillt, etwas zu verändern. Das ist gut so. Schließlich geht Nachhaltigkeit uns alle an und kann nur gemeinsam umgesetzt werden. Aber wie gelingt das im Praxis- und Behandlungsalltag?
Ein Produkt macht noch keine grüne Praxis
Beim Spaziergang über die IDS in Köln Mitte März hatte es den Anschein, dass Nachhaltigkeit in der dentalen Branche bereits überall angekommen ist und umgesetzt wird. Allerdings machen ein paar einzelne nachhaltige Produkte noch keine grüne Praxis. Es gehört viel mehr dazu. Nachhaltigkeit muss zur Praxisphilosophie werden.
Jedoch kann die Umstellung auf nachhaltigere Produkte der erste Schritt sein. Auch wir in der Zahnarztpraxis Dentapaz in Heilbronn sind so auf dem Weg in Richtung Nachhaltigkeit gestartet. Denn dieser Schritt ist der einfachste und lässt sich schnell im Praxisalltag umsetzen.
Weiter ging es bei uns mit der Mülltrennung. Ein Thema, das viele Praxen leider zu stiefmütterlich behandeln. Dabei ist es für uns Zuhause ganz normal, die unterschiedlichen Materialien getrennt zu entsorgen.
Anschließend sind wir Raum für Raum in der Praxis durchgegangen, um zu schauen, was sich dort schnell ändern lässt, angefangen vom Energiesparen im Sozialraum bis hin zum Austausch von Materialien und Utensilien im Behandlungsraum.
Das Konzept muss stimmen
Bevor wir überhaupt gestartet sind, haben wir uns allerdings viele Gedanken zu dem Thema gemacht. Die Initialzündung und der Wunsch, die Praxis „grüner“ zu gestalten, kamen von unserer Chefin. Wir wussten, dass wir dazu ein Nachhaltigkeitskonzept brauchen, das ohne Probleme vom gesamten Team gelebt werden kann.
In allererste Linie muss der Praxisinhaber/die Praxisinhaberin motiviert sein und vorangehen, denn die Entscheidung, vieles zu verändern, liegt in deren Hand.
Um das Thema Nachhaltigkeit langfristig und erfolgreich in einem Unternehmen zu etablieren, müssen verschiedenste Bereiche der gesamten Praxisstruktur beleuchtet werden. Die Nachhaltigkeitsstrategie muss also eine ganzheitliche sein und nicht nur ein Trend. Wichtig ist, dass man sich zu Beginn in der Praxis einen Überblick verschafft und den Status quo ermittelt.
Das bedeutet Teamwork. In Form einer Teambesprechung kann zum Beispiel das gesamte Team zum Thema Nachhaltigkeit mit ins Boot geholt werden. So können alle Möglichkeiten, die in einer Praxis umzusetzen sind, gemeinsam festgelegt werden.
Mithilfe von Checklisten (Initiative DIE GRÜNE PRAXIS) für jeden Bereich konnten wir uns schnell einen Überblick verschaffen, was wie abläuft und was anders werden soll. Wir haben sowohl die bereits im Sinne der Nachhaltigkeit gelebten Dinge festgehalten als auch kurz-, mittel- und langfristige Maßnahmen festgelegt.
Dabei muss man das Rad nicht neu erfinden, sondern kann schauen, welche Checklisten, Ratgeber, Hilfsmittel, Produkte und Materialien der dentale Markt bereits bietet.
Wichtig ist hierbei, stets die Zielsetzung im Auge zu behalten. Optimal ist es, wenn eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter als Nachhaltigkeitsbeauftragte/r festgelegt wird. In unserer Praxis habe ich diese Position gerne übernommen, manchmal auch zum Leidwesen meiner Kolleginnen.
Es kann richtig Spaß machen, die Praxis gemeinsam mit Chefin oder Chef und Kolleg:innen zu durchlaufen. Im Team entstehen dann meist viele Ideen und es eröffnen sich vielleicht ganz neue Perspektiven zu Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein.
Diese Maßnahmen können also auch eine positive Wirkung auf die persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeitenden haben.
Nach dem Planen kommt das Umsetzen
Als das Konzept stand und die Maßnahmen entschieden waren, ging es ans Umsetzen. Dabei sollte man sich unbedingt im Klaren darüber sein, dass die Umsetzung stets ein Prozess ist. Nachhaltigkeit bedeutet, immer weiter an den Punkten zu arbeiten und Arbeitsabläufe immer wieder aufs Neue zu hinterfragen.
Und auch Ziele sollten gemeinsam terminiert und ihre Umsetzung kontrolliert werden.
Probleme bei der Umsetzung
Die häufigsten Probleme bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele entstehen meiner Erfahrung nach u. a. aufgrund von Personalmangel und -wechsel oder einer nicht optimalen Organisation. Aber auch ein Praxisumbau oder Umzug, wie es bei uns war, wirft einen wieder etwas zurück.
Sind zu wenig Mitarbeitende in der Praxis beschäftigt, können nur die notwendigsten praxisrelevanten Aufgaben durchgeführt werden. Für „Extras“ bleibt oft keine oder wenig Zeit.
Ähnlich sieht es bei einer zu knappen Terminplanung aus. Zeitmangel zwischen den Behandlungen erschwert die Fokussierung auf nachhaltige Maßnahmen wie die Mülltrennung oder das Wiederaufbereiten von Materialien.
Deshalb haben wir in unserer Praxis intensiv daran gearbeitet, die Terminplanung zu optimieren und große Behälter aufgestellt, um eine sortenreine Mülltrennung zu ermöglichen.
Eine gute Terminierung von Behandlungen kann sich wiederum sehr positiv auf die Nachhaltigkeit der Praxis auswirken:
Die Patientinnen und Patienten werden nur zu den wirklich notwendigen Terminen einbestellt und durch die Koordination von ZE-Terminen kann die Anfahrt des Fremdlabors reduziert werden. So lässt sich CO2-Ausstoß verringern.
Durch die Einführung und stetige Erweiterung der Digitalisierung wie bei der Abformung, Diagnostik (Abb. 1), Anamnese und der Terminvergabe konnten wir schon weitere Maßnahmen auf unserer Checkliste zur Nachhaltigkeit abhaken.
Unser Hygienekonzept wird derzeit erneut überarbeitet, um noch mehr Ressourcen auch in diesem Bereich einsparen zu können.
Beim Thema Wiederaufbereitung sind wir allerdings mit unseren Geräten plötzlich an unsere Grenzen gestoßen. Ältere Geräte sind oft noch vom Fassungsvermögen etwas kleiner und müssen deshalb nun häufiger am Tag laufen. Dies bedeutet für uns einen größeren Zeit- und Personalaufwand im Steri-Raum.
Bei der nächsten Wasser- und Stromrechnung erleben wir hoffentlich keine böse Überraschung.
Den zweiten Teil des Artikels finden Sie hier.