Fahrender Zug

Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel in COVID-Zeiten

Forscher untersuchten in dem vom Fraunhofer IBP geleiteten Projekt »Covid Risk im Öffentlichen Verkehr (ÖV)« das Ansteckungsrisiko und die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen in Bezug auf SARS-CoV-2.

Aufgrund der Corona-Pandemie zögern viele Menschen, öffentliche Verkehrsmittel wie Bus oder Bahn zu nutzen. Doch wie hoch ist das Ansteckungsrisiko, wenn eine infizierte Person mit im Waggon sitzt? Und wie kann man sich am besten schützen? Diese Fragen untersuchten Wissenschaftler im Forschungsvorhaben „Covid Risk im Öffentlichen Verkehr (ÖV)“ unter Federführung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP. Auftraggeber war das Deutsche Zentrum für Schienenverkehrsforschung beim Eisenbahn-Bundesamt.

Raumklimatische Modelle simulieren die Aerosolausbreitung

Um die typische Aufenthaltszeit im Verkehrsmittel oder am Bahnsteig zu bestimmen, ermittelten die Forscher Fahrtenprofile. Daraus leiteten sie Szenarien ab: Welcher Virenlast könnten Passagiere durch eine infizierte Person ausgesetzt sein? Mit diesen Eingangsdaten entwickelten sie unter Einbeziehung langjährig am Fraunhofer IBP erprobter Methoden und Anwendungen raumklimatische Modelle – zum einen für alle wichtigen Typen öffentlicher Verkehrsmittel wie Fern- und Stadtbusse sowie Nah- und Fernverkehrszüge, zum anderen beispielhaft an ober- und unterirdischen Bahnhöfen.

Diese Modelle simulieren, wie sich virenhaltige Aerosolpartikel – ausgehend von einer infizierten Person – ausbreiten. Das Forscherteam unterschied dabei, ob sich die Passagiere in der Nähe der infizierten Person aufhalten oder weiter entfernt, ob die Fahrgäste Masken tragen und wenn ja, welche, und wie sie sich verhalten, ob sie normal sprechen, laut sprechen oder lediglich atmen.

Ausbreitungs-Modelle müssen kalibriert und überprüft werden: Bilden sie die Wirklichkeit richtig ab? „Von November 2020 bis Januar 2021 haben wir daher in relevanten Verkehrsmitteln des öffentlichen Schienen- und Straßenpersonennah- sowie -fernverkehrs Luft- und Wischproben sowie Kohlendioxid-Konzentrationsverläufe gemessen und die gleichen Messungen auch an typischen Bahnhöfen vorgenommen“, konkretisieren die Wissenschaftler. „Die gemessenen CO2-Konzentrationen stellten wir dann den errechneten Werten gegenüber.“ In allen untersuchten Bereichen und Verkehrsmitteln konnten die Expertenteams dabei keine Coronaviren nachweisen. Neben Proben auf SARS-CoV-2 wurden auch die Mengen der ansonsten überall aufzufindenden Humanen Adenoviren (HAdV) bestimmt. Adenoviren sind weitverbreitet und Indikator für eine erfolgreiche Probenahme; sie konnten lediglich in geringen Mengen nachgewiesen werden. Dies untermauert einerseits die Effektivität von Maßnahmen wie Maskentragen, andererseits aber auch ein Risikoangemessenes Verhalten der Fahrgäste. Auch regelmäßiges Desinfizieren zeigt Wirkung.

Wie es um die Luftqualität in Innenräumen steht, wird in der Regel durch Messung der Kohlenstoffdioxid-Konzentration überwacht. Die CO2-Konzentrationen, die das Forscherteam bei den Messungen erfasste, lagen in allen untersuchten Verkehrsmitteln meist unterhalb von 1.000 ppm – also unterhalb der CO2-Konzentration, die das Umweltbundesamt und die Oberste Landesgesundheitsbehörde empfehlen. „Höhe und Verlauf der Aerosolkonzentration im Inneren der beprobten Verkehrsmittel belegen, dass die Lüftung optimiert wurde und effektiv funktioniert“, so das Forscherteam. Die Menge an Aerosol-Partikeln von kritischer Größe wurde vor allem durch Bewegung der Fahrgäste verursacht und nicht durch deren Atmung. Dies unterstreicht die Bedeutung des Maskentragens.

Risikoabschätzung und Handlungsempfehlungen

Was die Fahrgäste von Bus, Straßenbahn und Zug vor allem interessieren dürfte: Zu welchen Schlüssen kam das Forscherteam aufgrund seiner Modelle? „Wo viele Menschen aufeinandertreffen, ist es auch bei niedrigen Inzidenzen vor allem für Ungeimpfte ratsam, eine FFP2-Maske zu tragen. Die korrekt getragene FFP2-Maske ist unseres Erachtens die effektivste Methode, das persönliche Risiko einer Corona-Ansteckung und möglichen COVID-Erkrankung zu reduzieren“, lautet die Zusammenfassung der Wissenschaftler*innen. Während die FFP2-Maske im Schnitt 90 Prozent der Keime sowohl beim Ausatmen (Fremdschutz) als auch beim Einatmen (Eigenschutz) filtert, reduzieren einfache medizinische Masken die Keimanzahl lediglich um 50 Prozent bei ihrer Abgabe und um 30 Prozent bei der Aufnahme. Wichtig ist auch der Verzicht auf lautes Sprechen. Denn – so ein weiteres Ergebnis der Modelle – spricht man laut, emittiert man etwa 25- bis 50-mal mehr Aerosol als beim normalen Atmen, ohne zu sprechen.

Weitere Maßnahmen, die das Ansteckungsrisiko im öffentlichen Verkehr senken können: das Abstandhalten, die Erhöhung der Frischluftzufuhr, die Reinigung der Umluft durch Filterung und die Vireninaktivierung beispielsweise durch regelmäßige Desinfektion von Oberflächen. Die Parameter, die bestimmen, wie die Luftqualität in einem Fahrzeuginnenraum ist, wurden qualifiziert und quantifiziert. „Daher können wir sagen: In Bus und Bahn ist das Infektionsrisiko so gering bzw. so hoch wie an anderen Orten, wenn sie gut gelüftet und FFP2-Masken korrekt getragen werden.“

Quelle: idp Fraunhofer Institut

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Hintergrundinformationen

Das Projekt „Covid Risk im Öffentlichen Verkehr (ÖV)“ wurde in Zusammenarbeit mit folgenden Partnern bearbeitet:

  • Fraunhofer-Institut für Holzforschung WKI 
  • Institut für Bahntechnik GmbH (IFB)
  • Technische Universität München – Institut für Virologie & Helmholtz Zentrum München
  • LMU Klinikum IPASUM – Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin
  • Alstom S.A. (bis Januar 2021 Bombardier Transportation GmbH - BT) ________________________________________