Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine neue Richtlinie (Guideline) zur Nutzung von Süßstoffen (niedrig- oder nicht-kalorische Zucker-Alternativen) herausgegeben (1). In der Europäischen Union sind elf Süßstoffe als Zusatzstoffe durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zugelassen und gelten als sicher. Diese sind: Acesulfam K (E 950), Aspartam (E 951), Cyclamat (E 952), Saccharin (E 954), Sucralose (E 955), Thaumatin (E 957), Neohesperidin DC (E 959), Steviolglycoside (E 960), Neotam (E 961), Acesulfam-Aspartamsalz (E 962) und Advantam (E 969). Die WHO-Richtlinie ändert daran nichts.
Da Süßstoffe in der Zahnmedizin zur Kariesvorbeugung empfohlen werden und in vielen zahnfreundlich getesteten Produkten enthalten sind, erläutert die Aktion Zahnfreundlich e. V. die Bedeutung dieser Richtlinie für die Zahnmedizin. Sie beruht auf einer aktuellen von der WHO beauftragten Meta-Analyse von 283 Studien (2).
Im Zentrum der Fragestellung stehen der Nutzen von Süßstoffen in der Gewichtskontrolle, aber auch mögliche Risiken, die von ihrem Konsum ausgehen. Die Frage einer kariespräventiven Wirkung von Süßstoffen, wenn sie als Ersatz für Zucker eingesetzt werden, wird nur am Rande adressiert. Was sind die für die Zahnmedizin wichtigsten Erkenntnisse, welche die Meta-Analyse und die Guideline liefern?
WHO: Nicht zur Gewichtskontrolle
Die WHO empfiehlt, dass Süßstoffe nicht genutzt werden sollten, um eine Gewichtskontrolle zu erreichen oder das Risiko nichtübertragbarer Erkrankungen zu reduzieren. Es handelt sich hierbei um eine sogenannte „bedingte Empfehlung“ (conditional recommendation), also eine zurückhaltend ausgesprochene Empfehlung.
Es gibt zwar Belege, dass der Konsum von Süßstoffen zu einem reduzierten Körpergewicht und niedrigerem BMI (Body Mass Index) führt, allerdings ist die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz niedrig und es konnte kein Einfluss auf andere Messparameter wie Blutglucose, -lipide oder Insulin gefunden werden. Beobachtungsstudien mit einer Laufzeit von bis zu 13 Jahren zeigten sogar eine Assoziation mit erhöhtem BMI sowie einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen.
Kaum eine Grundlage für substanzielle Aussagen
Die Vertrauenswürdigkeit dieser Evidenz war allerdings nur niedrig bis sehr niedrig. Zur Erläuterung: Evidenz mit einer niedrigen Vertrauenswürdigkeit sollte nur mit Vorsicht für entsprechende Entscheidungen genutzt werden, eine sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit stellt gar keine Entscheidungsgrundlage dar.
Evidenz mit sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit wurde auch für eine Assoziation zwischen Süßstoffen (vor allem Saccharin) und dem Auftreten von Blasenkrebs gefunden. Alles in allem muss man den Schluss ziehen, dass die 210 Seiten umfassende Meta-Analyse und die 90seitige Guideline der WHO kaum eine Grundlage für substanzielle Aussagen zu Nutzen und Risiken von Süßstoffen in der Ernährungsberatung zulassen, weder in Richtung Empfehlung noch Ablehnung.
Aber wie sieht es mit der Kariesprävention aus?
Die WHO-Guideline trifft dazu keine Aussage; in der Meta-Analyse wurden eine Studie bei Erwachsenen und vier bei Kindern bewertet. Vier Studien sind aufgrund einer zu kurzen Laufzeit oder aus methodischen Gründen nicht geeignet, einen direkten Zusammenhang zwischen dem Konsum von Süßstoffen und Karies nachzuweisen.
In der fünften Studie, einer prospektiven Kohortenstudie, wurde ein karieshemmender Effekt des Konsums von Süßstoffen gefunden. Alles in allem lässt die Meta-Analyse aber keine klare Aussage zum Nutzen von Süßstoffen in der Kariesprävention zu. Andererseits ist unbestritten, dass ein Zusammenhang zwischen häufigem Zuckerkonsum und der Entstehung von Karies besteht. Wenn also die Frequenz der Aufnahme von Zucker, insbesondere in Form von zuckerhaltigen Getränken oder Süßigkeiten, durch den Ersatz mit Süßstoffen reduziert werden kann, sollte auf jeden Fall ein kariespräventiver Nutzen für unsere Patientinnen und Patienten resultieren.
Deshalb empfiehlt die Aktion Zahnfreundlich e. V., bei der Ernährungsberatung in der Zahnarztpraxis auf den Nutzen von Süßstoffen, insbesondere zum Süßen von Getränken sowie in Süßigkeiten und Kaugummis, hinzuweisen. Die höchste Sicherheit besteht bei zahnfreundlich getesteten Produkten, die das Logo „Zahnmännchen mit Schirm“ tragen.
Prof. Dr. Stefan Zimmer
1.Vorsitzender
Aktion Zahnfreundlich e. V.
E-Mail: Stefan.Zimmer@uni-wh.de
Literaturverzeichnis:
1. World-Health Organization. Use of non-sugar sweeteners: WHO guideline. Geneva: World Health Organization; 2023. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO.
2. Rios-Leyvraz M, Montez J. Health effects of the use of non-sugar sweeteners: a systematic review and meta-analysis. Geneva: World Health Organization; 2022. Licence: CCBY-NC-SA3.0IGO.