Das „A und O“ bei der täglichen Mundpflege

Tatsache ist: Eine gute Mundpflege ist ein wichtiger Bestandteil einer erfolgreichen Parodontalbehandlung. Damit die häusliche Mundhygiene aber tatsächlich zu einem positiven Ergebnis führt, sind verschiedene Faktoren zu beachten. So entscheiden letztlich die Auswahl des Pflegeproduktes, Verständlichkeit der Instruktionen oder auch die körperliche Verfassung und der gute Wille des Patienten über Erfolg und Misserfolg der Behandlung.

Autorin: Christine Bischof

Motivation und Status Quo

Oft stellt schon die Motivierung der Patienten eine hohe Herausforderung dar. Motivation bzw. Motivierung stammt vom lateinischen „movere“ = bewegen, man möchte also in der zahnärztlichen Praxis Menschen zu einer optimalen Mundhygiene „bewegen“. Als starke Motivationsförderer eignen sich dabei vor allem gut erreichbare Ziele, welche in Teilziele oder Annäherungsziele unterteilt werden. Immer wichtig: Feedback geben und loben, denn Feedback ist einer der stärksten Motivatoren überhaupt. Wir können dieses Prinzip in der Praxis umsetzen, indem wir den Prozess individuell dem Patienten anpassen – seinen Möglichkeiten, seinen Bedürfnissen und seinen Wünschen.

Ein erster Schritt ist – falls nötig – die Optimierung der Zahnputztechnik. Bei Patienten mit Rezessionen, mit Implantaten oder mit behandelter bzw. bestehender Parodontitis unterstützt eine gute Schallzahnbürste die Reinigung. Der hydrodynamische Effekt einer solchen Zahnbürste mit min. 20.000 Bewegungen pro Minute kann auch an schwierig zugänglichen Stellen reinigen.

Wichtig dabei: Das bedeutet nicht, dass deshalb auf eine Reinigung der approximalen Zahnflächen verzichtet werden kann. Für eine optimale Reinigung der Approximalflächen muss das ausgewählte Produkt in Variante und Größe vielmehr individuell angepasst werden, gleichzeitig sind die Möglichkeiten und Vorlieben eines Patienten zu berücksichtigen. Doch wie bringt man den Patienten zu einer Verhaltensänderung, also z. B. zur regelmäßigen Benutzung von Interdentalbürsten? Eine bekannte, zielorientierte und erfolgreiche Möglichkeit ist die Methode des „motivational interviewing“, eine patientenorientierte Gesprächsführung, die diese als selbstverantwortlich behandelt. Aktives Zuhören, Wertschätzung und Akzeptanz des Gegenübers sind wichtige Pfeiler dieser Gesprächsführung.

Mittels einer genauen Befundaufnahme der oralen Verhältnisse können Produkte zur Interdentalpflege optimal angepasst werden. Eine Erstabklärung, ob und wenn ja, welche Interdentalhygiene der Patient bereits betreibt, unterstützt die Instruktion. Auf bestehende Kenntnisse kann aufgebaut und die Mundpflege – wenn erforderlich – modifiziert werden.

Die Wahl des passenden Mundhygiene-Produktes

Bei der Wahl des Interdentalhygiene-Produktes gilt: Je größer der Interdentalraum, desto größer das Mittel der Wahl. Der Morphologie des Zahnes muss Rechnung getragen werden, d. h. bei einer – auch bereits leichten – Retraktion der Gingiva sind Interdentalbürsten indiziert, da nur sie sich optimal der Konkavität der Wurzel anpassen, was einem Zahnstocher oder einer Zahnseide nicht möglich ist.

Anfang der 70er Jahre war die Zahnseide praktisch das einzige Interdentalprodukt am Markt. Seither sind viele Produkte hinzugekommen. Der korrekte Umgang mit der Zahnseide ist nicht einfach und braucht professionelle, detaillierte Anleitung. Prof. Imfeld empfahl den Gebrauch von Zahnseide nur für junge Leute bis etwa 25 Jahren und nur bei intakten Papillen. Bereits bei einem minimalen Rückgang der Gingiva ist eine Interdentalbürste effizienter, dies belegen mehrere Studien eindrucksvoll. Bei Patienten während einer Parodontalbehandlung und in den Wochen danach kann es zudem angebracht sein, die Interdentalbürsten mit Chlorhexidin-Gel anzuwenden.

Mundhygiene-Produkte bei Implantaten und im Alter

Speziell Patienten mit Implantaten müssen eine perfekte Mundhygiene aufweisen. Für die Interdentalreinigung wird die größtmögliche Interdentalbürste mit Kunststoffbeschichtung empfohlen. Hier kann kurz- oder mittelfristig eine prophylaktische Applikation von Chlorhexidin auf die Interdentalbürste indiziert sein, um einer periimplantären Mukositis/Periimplantitis vorzubeugen, da diese nur schwierig und mit großem Aufwand zu therapieren ist.

Bei älteren Patienten ist die Feinmotorik häufig eingeschränkt und der Speichelfluss durch Medikamenteneinnahme vermindert. „In den Zahnarztpraxen überwiegen polymorbide Patienten anstelle der einstigen zahlreichen Kariespatienten“ (Prof. em. Sandro Palla). Bedingt durch die Hyposalivation steigt das Risiko für Zahnhalskaries, großflächige Demineralisationen und Attritionen. Gleichzeitig verfügen Senioren heute durch die hoch spezialisierte und qualitativ hochwertige Versorgung über immer mehr Zähne, die aber nicht von Risiken verschont bleiben. Neben einer passenden Zahnputztechnik – eine Schallzahnbürste kann hier hilfreich sein – und einer genügenden Versorgung mit Fluoriden sind für die Zwischenraumreinigung einfach zu handhabende Mittel zu wählen, also z. B. Interdentalbürsten mit breitem Griff. Die Technik und das Produkt sollten dem Patienten vor dem Spiegel gezeigt und mit ihm geübt werden, um die richtige Auswahl zu treffen.

Trotz aller Bemühungen des zahnärztliches Teams kann es sein, dass die Informationen für ältere Menschen zu schnell oder nicht verständlich genug gegeben werden. Oft sind es auch für ältere Personen einfach zu viele Informationen gleichzeitig. Bewährt haben sich hier die Abgabe von Informationsblättern und das Miteinbeziehen von Angehörigen.

Nachjustieren bei der Produktauswahl ist sinnvoll

Ein Produkt, das zwar optimal den oralen Verhältnissen angepasst ist, vom Patienten aber nicht oder nur ungern genutzt wird, muss überdacht werden. Liegt es an der Motivation oder an Schwierigkeiten beim Handling? Existieren Alternativen zum erstinstruierten Mittel? Eine Studie von Abouassi zeigte, dass Dental Picks (z. B. TePe Easy Pick™) von Patienten gut akzeptiert werden. Dies kann helfen, Patienten zur Interdentalhygiene zu motivieren und später, wenn sinnvoll, auf Interdentalbürsten umzusteigen. Auch sollten dem Patienten nicht zu viele verschiedene Interdentalpflege-Mittel zugemutet werden. Bewährt hat sich eine Auswahl von nicht mehr als zwei verschiedenen Interdentalhygiene-Produkten, wobei unterschiedliche Größen von Interdentalbürsten nicht als verschiedene Produkte gezählt werden.

Eine regelmäßige Kontrolle bei den Recallterminen ist ein wesentlicher Bestandteil der optimalen Mundhygiene: Ist die Homecare konstant geblieben? Passt z. B. die instruierte Interdentalbürste noch oder hat sich der Zahnzwischenraum so verändert, dass eine andere Größe gewählt werden muss?

Eine effektive Parodontaltherapie gelingt nur im Zusammenspiel mit allen beteiligten Personen. Eine professionelle, perfekt durchgeführte Behandlung führt nicht zum Erfolg, wenn der Patient keine adäquate Mundpflege betreibt. Individuelle (Re-)Motivierung und Feedback sind unabdingbarer Bestandteil der Therapie und ihres langfristigen Erfolges.

 

Zur Autorin:

Christine Bischof (Abb. 1) machte 1980 ihr Diplom als Dentalhygienikerin an der Dentalhygiene Schule Zürich (DHSZ). Seitdem arbeitet sie in verschiedenen zahnärztlichen Praxen und war als Instruktorin an der DHSZ und als Schulleiterin am Prophylaxezentrum Zürich tätig. 2014 wurde sie von den Swiss Dental Hygienists zur Dentalhygienikerin des Jahres gewählt. Im gleichen Jahr begann Christine Bischof ihre Selbstständigkeit im Bereich Fortbildung für Dentalhygienikerinnen (www.dentalberatungen.ch)