Wie zum Beispiel auf Krankheitsverläufe, Symptome, Arzneimittelwirkungen. Und genau aus diesen Gründen ist die geschlechtssensible Medizin – die Gendermedizin – so wichtig.
Inhalt
Studie: Deutsche wünschen sich Beachtung von Genderunterschieden in der Medizin
Unterschiede müssen stärker berücksichtigt werden
Ärzte, Pharmafirmen und der Gesetzgeber in der Pflicht
Ein Kosmos an Unterschieden
Frauen und Männer unterscheidet eben nicht nur der kleine Unterschied. Sie sind – oh Wunder – gleich in vielfacher Hinsicht verschieden:
- unterschiedlicher Körperbau,
- unterschiedliche durchschnittliche Körpergröße,
- verschiedene Sexualhormone,
- unterschiedlicher Zellaufbau (beruhend auf den Geschlechtschromosomen XY bei Männern und XX bei Frauen) sowie
- sich unterscheidende soziokulturelle Prägung.
Unterschiede müssen stärker berücksichtigt werden
„Frauen leiden generell öfter unter Nebenwirkungen von Arzneimitteln. Gleichzeitig können Medikamente bei Frauen aufgrund von Körpergröße, Gewicht und Hormonen anders wirken als bei Männern“, so Prof. Oertelt-Prigione. „Wir haben bei klinischen Studien zu Corona festgestellt, dass das Geschlecht kaum beachtet wurde, obwohl längst bekannt war, dass Männer und Frauen unterschiedlich betroffen sind – es hatte sich einfach so etabliert und war gesellschaftlich akzeptiert. Inzwischen sehen wir bereits einen Wandel bei der Auswahl der Probanden für Studien. Die geschlechterspezifische Analyse erfolgt aber weiterhin zu selten.“
Ärzte, Pharmafirmen und der Gesetzgeber in der Pflicht
Wie die Studie zeigt, wissen viele Menschen, dass es auch bei Krankheiten und Symptomen geschlechtsspezifische Unterschiede geben kann. Doch bei der Vermittlung konkreter Fakten hapert es: 82 Prozent der Befragten erwarten generell mehr Informationen, wie sich Symptome bei Erkrankungen wie zum Beispiel beim Herzinfarkt je nach Geschlecht unterscheiden. Auch die Pharmaindustrie sollte nach Ansicht von 87 Prozent der Deutschen ihre Packungsbeilagen anpassen und dort klar auf die Unterschiede bei der Verwendung durch Männer und Frauen hinweisen. 86 Prozent der Befragten sehen den Gesetzgeber in der Pflicht, klare Vorgaben zu einer geschlechterangepassten Gesundheitsversorgung zu machen. „Hier wird sich erst etwas verändern, wenn es klare Regularien gibt. Beispielsweise muss die Politik dafür sorgen, dass nur noch Studien finanziert werden, die das Geschlecht berücksichtigen“, erklärt Oertelt-Prigione. „Dort, wo die Datenlage bereits gut ist, wie in der Kardiologie, können Leitlinienveränderungen angeschoben und Therapien geschlechterspezifisch angepasst werden.“
Mangelnde Transparenz
Im Gespräch mit Ärzten wird besonders von Frauen mangelnde Transparenz beklagt: Nur 26 Prozent sagen, ihr Arzt bzw. ihre Ärztin habe sie über die unterschiedlichen Wirkungen von Medikamenten aufgeklärt – im Unterschied zu 40 Prozent der Männer. Insgesamt haben zwei Drittel der befragten Frauen und Männer keine entsprechende Auskunft bei der ärztlichen Behandlung erhalten. 83 Prozent wünschen sich deutliche Hinweise von Mediziner, wenn noch unklar ist, ob Medikamente auf Männer und Frauen unterschiedlich wirken. Nur 33 Prozent sagen, ihr Arzt, ihre Ärztin habe mit ihnen darüber gesprochen. „Der Wandel zur personengerichteten Medizin mit dem Ziel, einen kooperativen Prozess zwischen Patienten und Ärzte zu schaffen, beginnt erst. Dafür müssen die Mediziner ihre Deutungshoheit aufgeben und die Expertise ihrer Patienten für die eigene Gesundheit wahrnehmen“, sagt Oertelt-Prigione. „Andere Länder wie die Niederlande, Kanada oder Großbritannien sind da weiter. Die jüngere Generation treibt diesen Wandel auch bei uns in Deutschland voran.“
Die Studie „Geschlechtersensible Medizin“ wurde im Februar 2022 im Auftrag der pronova BKK durchgeführt. Bundesweit wurden 1.000 Erwachsene ab 18 Jahre repräsentativ online befragt.