Wir, die Autoren, haben fast unser ganzes Berufsleben erfolgreich der Prophylaxe gewidmet. Trotzdem wird empfohlen, diese Behandlung auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Damit wird deutlich, dass der Prophylaxegedanke in Deutschland immer noch nicht angekommen ist.
Die skandinavischen Länder und auch die kleine Schweiz sind uns hier weit voraus. In Schweden hat man die Plaque-Erkrankungen Karies und Parodontitis gewissermaßen ausgerottet. Die Prophylaxe wird in unserem Land immer noch auf nur professionelle Zahnreinigung reduziert.
Sicher ist die kosmetische Entfernung von dunklen Zahnbelägen aufschiebbar, aber die Hauptaufgabe der Prophylaxe besteht in der Reduzierung des sogenannten mikrobiellen Biofilms (vor allem auch unterhalb der Zahnfleischgrenze) und dient der Gesunderhaltung und nicht nur der Wiederherstellung eines strahlenden Lächelns. Der kosmetische Effekt ist lediglich eine Zugabe.
Ca. zwei Drittel der erwachsenen Deutschen haben eine Parodontitis! Das ist keinesfalls eine Bagatellerkrankung. Wissenschaftlich bewiesen sind die Zusammenhänge mit vielen ernsthaften Allgemeinerkrankungen. Schon vor einigen Jahren war das Motto beim „Greater New York Dental Meeting“, einer der größten Dentalveranstaltungen der Welt: „Parodontaltherapie rettet Leben!“
Es ist doch logisch, dass eine erhöhte Keimbelastung die Leistungsfähigkeit unseres Immunsystem herabsetzt. Die Verbesserung der Mundflora stärkt unser Immunsystem. Das brauchen wir in dieser Corona- Zeit - und auch danach. Ein intaktes Immunsystem. Ohne Frage!
In unseren Augen ist es deshalb ärztlich falsch, auf umfassende Prophylaxe zu verzichten oder aufzuschieben. Wir wissen doch gar nicht wie lange der Spuk sich noch hinziehen wird.
Ja! - auch wir Zahnärzte sind in erster Linie Mediziner, sogar Fachärzte für Mund und Zähne. Bei der ganzen Berichterstattung hat man den Eindruck, wir werden auf eine Stufe mit Haarstylisten oder Fußpflegern gestellt, ohne diese wichtigen Berufe auch nur im geringsten verunglimpfen zu wollen.
Im Moment ist doch das Thema: mit Corona leben. Da kann es doch nicht sein, dass Haarschnitte unverzichtbar sind, aber wichtige, die Gesundheit fördernde Maßnahmen auf unbestimmte Zeit verschoben werden sollen.
Wir Zahnärzte hatten schon lange vor Corona mit hoher Infektionsgefahr zu kämpfen. Hepatitis, HIV oder Influenza gab es schon früher. Wir mussten schon immer bei jedem Patienten von einer möglichen Infektionsquelle ausgehen.
Für Friseursalons und viele andere Geschäfte ist anspruchsvolle Hygiene Neuland und eine besondere Herausforderung. Wird das gut gehen? Wir Zahnärzte dagegen wissen, wie Hygiene geht!
Für uns und unsere Mitarbeiterinnen ist das nämlich schon lange Routine. Natürlich sind wir und unser Personal besonderen Infektionsgefahren ausgesetzt. Das waren wir – wie schon vorher erwähnt – auch schon vor Corona. Hygiene hört nicht beim Hände waschen auf.
Bei Einhaltung aller Grundregeln lässt sich ein mögliches Infektionsrisiko auf ein Minimum beschränken. Selbstverständlich muss auch Aerosol frei gearbeitet werden. In der Prophylaxe heißt das: kein ZEG, Kein Pulver, sondern gute, alte Handarbeit - mit Scalern und Küretten.
Unsere Mitarbeiterinnen können auch das und wissen genau, wie sie sich selbst und ihre Patienten vor Ansteckung schützen. Sie haben allesamt eine hoch qualifizierte Ausbildung absolviert. Eine Qualifikation zur Dentalhygienikerin umfasst ca.1.350 Stunden Weiterbildung!
Ein Supermarkt- , Friseur- oder Apothekenbesuch bietet wahrscheinlich ein größeres Infektionsrisiko als der Besuch einer Zahnarztpraxis. Unsere Standesgremien empfehlen uns, nur unverschiebbare Behandlungen durchzuführen. Wirklich unverschiebbare Behandlungen in der Zahnarztpraxis gibt es aber außer der Behandlung akuter Schmerzfällen kaum. Es liegt in der Verantwortung des behandelnden Zahnarztes, eine Risiko-/ Nutzen-Analyse zu erstellen. Wie vorher erläutert ist das Infektionsrisiko bei sorgfältiger Einhaltung der Hygieneregeln gering. Der gesundheitliche Nutzen ist aber groß.
Wir sind der Meinung, dass ein Aufschub der Prophylaxebehandlung nicht zu empfehlen ist, zumal dieses Virus uns noch eine ganze Weile erhalten bleiben wird. „Vorbeugen ist besser als Bohren“, um diesen Aufsatz auch mit einem Slogan zu beenden.
Rainer Klerx, Cord Langhorst und Dr.Tobias Bähre