Mundhygiene bei Erwachsenen und Senioren
Eine nicht optimale Mundhygiene und daraus entstehende chronische Gingivitis gelten als wichtige Risikofaktoren für Parodontitis (1, 2). Dass eine gute und regelmäßige Mundhygiene auch Periimplantitis und Karies verhindern kann, ergibt sich aus zahlreichen Studien (3-5). Dabei zeigt sich, dass die Mundhygiene-Instruktion im Rahmen regelmäßiger professioneller Zahnreinigung einen wichtigen präventiven Beitrag leistet. Diese wird seit 1. Juli 2021 – zumindest bei bereits erkrankten Patienten – von der gesetzlichen Krankenkasse erstattet. Wichtig ist ebenso, sich gesund zu ernähren und Risikofaktoren wie Rauchen zu vermeiden (6).
Weiterhin haben neue Studien bestätigt, dass für langfristige parodontale Gesundheit idealerweise zweimal täglich sorgfältig geputzt werden sollte (7, 8). Welche Mundhygiene-Hilfsmittel sich am besten für die Parodontitis-Prävention eignen oder wie das Parodont in der Nachsorge stabil bleibt, lässt sich nicht im Detail festlegen (2, 9). In kontrollierten Studien ließ sich aber der Biofilm mit elektrischen Zahnbürsten signifikant wirksamer entfernen als mit manuellen (10). In Bezug auf Gingivitis-Hemmung zeigten sich Schallzahnbürsten im Vergleich zu rotierend-oszillierenden Produkten überlegen. Die ebenso wichtige interdentale Reinigung reduziert zudem den Anteil parodontalpathogener Bakterien (11).
Schmutznischen, Diabetes und Krebs
Eine ursächliche (ätiologische) Beziehung zwischen parodontaler und allgemeiner Gesundheit ist häufig nicht nachweisbar. Dennoch sprechen erste Studien dafür, dass eine erfolgreiche Parodontitis-Therapie sich günstig auf systemische Erkrankungen auswirkt. So wird über den Blutkreislauf die Entzündung im Körper reduziert und der Blutzucker bei Typ-2-Diabetes gesenkt (12, 13). Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie diastolische Herz-Insuffizienz lassen sich mit der Maßnahme ebenfalls klinisch günstig beeinflussen (14). Diskutiert werden aktuell Mikroorganismen wie P. gingivalis als gemeinsamer ätiologischer Faktor für Parodontitis und Demenzerkrankungen (Alzheimer) (15).
Aber auch rein präventiv, also bevor eine parodontale Erkrankung aufgetreten ist, scheint eine gute Mundhygiene die systemische Gesundheit günstig zu beeinflussen. Nach einer groß angelegten Beobachtungsstudie aus Korea gilt das sowohl für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als auch für Diabetes (16, 17). Weiterhin könnte eine gute Mundhygiene das Risiko für orale Plattenepithelkarzinome und Magen- Darm-Krebs senken (18, 19). Bei allen diesen Erkrankungen ist wahrscheinlich auch ein gesundes mikrobielles Gleichgewicht bedeutsam, das sich durch effektive Biofilm-Entfernung fördern lässt.
Insbesondere moderne Schallzahnbürsten haben hier den Vorteil, dass sie für andere Bürsten nicht zugängliche Nischen erreichen (zum Beispiel Sonicare, Philips) (20). Entzündungswerte und Sondierungstiefen werden sowohl bei parodontal Gesunden als auch bei Erkrankten signifikant stärker reduziert (21). Als Ursache wird der hydrodynamische Effekt hochwertiger Schallzahnbürsten angenommen (22). Dieser beschleunigt das flüssige Gemisch aus Speichel und Zahncreme, das dadurch bis in die Interdentalräume vordringt. Schallzahnbürsten reduzieren zudem effektiv entzündungsbezogene Biomarker (23). Dies wirkt sich günstig auf die parodontalen Gewebe und möglicherweise auf die Entstehung systemischer Erkrankungen aus.
Spezielle Patienten, spezielle Hilfsmittel
Mit zunehmendem Alter kann die Mundpflege schwieriger werden, zum Beispiel durch gingivale Rezession und parodontalen Attachmentverlust, komplexe festsitzende Restaurationen oder Implantate. Hinzu kommt, dass etwa ein Drittel aller älteren Patienten unter medikamentenbedingter Mundtrockenheit leidet (24). Dies erhöht unter anderem das Kariesrisiko, sodass Zahncremes mit hohem Fluoridgehalt empfehlenswert sind (25, 26). Für Parodontitis-Patienten werden spezielle Zahncremes und Mundspüllösungen angeboten (27). Für die approximale Reinigung eignen sich am besten auf die Interdentalraum-Größe abgestimmte Bürstchen (28). Alternativ sind Geräte verwendbar, die mit Hochgeschwindigkeits-Mikrotröpfchen-Technologie arbeiten (Sonicare Air- Floss, Philips).
Unabhängig von diesen Faktoren können altersbedingt oder aufgrund von Behinderung die manuelle Geschicklichkeit und die Fähigkeit abnehmen, das Putzergebnis zu kontrollieren. Weitere Gründe hierfür sind Erkrankungen wie rheumatoide Arthritis der Fingergelenke oder auch Demenz. Obwohl keine evidenzbasierten Empfehlungen vorliegen, haben sich für diese Patientengruppen elektrische Zahnbürsten aufgrund von Expertenmeinungen bewährt (29, 30). Dies gilt besonders in Bezug auf nischenreiche Zahnreihen, die in den letzten Jahren auch bei betagten Patienten zunehmend häufiger anzutreffen sind (31).
Weiterhin erweisen sich viele alte Patienten oder solche mit besonderem Unterstützungsbedarf weniger kooperativ und benötigen spezielle Zuwendung und häusliche Unterstützung bei der Mundhygiene (32). Erfreulich ist, dass diese Patienten im Rahmen der neuen Parodontitis-Richtlinie in der GKV ohne bürokratische Hürden behandelt werden können siehe Interview mit PD Dr. Dr. Greta Barbe). Damit kommen sie in den Genuss von Mundhygiene-Instruktionen und umfassender Aufklärung, wobei wiederum unterstützende Angehörige oder andere Pflegepersonen gefragt sind.
Periimplantitis gezielt vermeiden
Periimplantäre Entzündung betrifft etwa zwei Drittel aller entsprechend versorgten Patienten (33). Während eine Mukositis in vielen Fällen mit hygienischen Maßnahmen kontrollierbar ist, sinken die Erfolgsaussichten bei Periimplantitis. Störungen des mi-krobiellen Gleichgewichts und eine damit verbundene Entzündung haben negative Auswirkungen auf eine Reihe systemischer Erkrankungen, die ihrerseits periimplantäre Komplikationen beeinflussen (34).
Entsprechend sollte implantatgetragener Zahnersatz präventiv so gestaltet werden, dass er leicht zu reinigen ist (35). Bei älteren Patienten sollte er sich bei Bedarf einfach in eine abnehmbare und damit hygienefähige Version umgestalten lassen (36). Mehr noch als bei eigenen Zähnen ist bei Implantatversorgungen eine Mundhygiene nach dem Stand der Technik empfehlenswert, die auch hier unter anderem mit elektrischen Zahnbürsten und Mikrotröpfchen-Geräten erfolgen kann. Beide Produktgruppen zeigten bei manuell eingeschränkten Patienten eine effektive Plaque-Entfernung.
37). Wie in der primären Prävention und in der Parodontitis-Nachsorge (UPT) sind zu-sätzlich regelmäßige professionelle Zahn- und Mundreinigungen mit ausführlicher Mundhygiene-Instruktion notwendig (38).
Fazit
Gute Zahn- und Mundpflege wird durch altersbedingte Gewebeveränderungen oder Restaurationen mit entsprechen-den Nischen schwieriger. Hier helfen moderne Mundhygieneprodukte wie Schallzahnbürsten und Mikrotröpfchen-Geräte für die Interdentalreinigung, den Biofilm und eine damit verbundene Entzündung klinisch bedeutsam zu reduzieren. Idealerweise erfolgt dies rein präventiv, aber auch in der parodontalen und periimplantären Nachsorge leisten die Produkte durch ihre einfache Anwendung und besonderen Eigenschaften wertvolle Dienste. Nicht zuletzt wirkt sich eine den Bedürfnissen an-gepasste Mundhygiene günstig auf die allgemeine Gesundheit aus und fördert damit die Lebensqualität für alle Patientengruppen und in jeder Altersstufe.
Literaturnachweis
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