Pflegekräfte können allein keine stabile Mundgesundheit sicherstellen

Viele Pflegebedürftige in Heimen oder in der Häuslichkeit können ihre Mund­hygiene nicht mehr selbstständig oder mit ausreichender Sorgfalt durchfüh­ren. Welche Konzepte haben sich hier bewährt?

Primäres Ziel ist es natürlich, Pflegebedürftige eng und kontinuierlich an die zahnärztliche Praxis zu binden. Das ist für diese Patientengruppe nicht immer selbstverständlich. Bei zuhause lebenden Patienten hat es sich zusätzlich als hilfreich erwiesen, diese für die Mundhygiene zu sensibilisieren und ihr Unterstützungsumfeld zu instruieren. Das gilt in Bezug auf die Auswahl geeigneter Mundpflegeprodukte, aber auch auf deren tägliche Anwendung (wann, wie oft, spezielle Pflegemethoden). In den Pflegeeinrichtungen ist die tägliche Mundpflege ein verpflichtender Teil der Körperpflege; bei Problemen sollten sich Angehörige daher an die Verantwortlichen in der Einrichtung wenden. Die Pflegekräfte allein können die Mundhygiene aber aus verschiedenen Gründen nicht auf ein mit stabiler Mundgesundheit vereinbares Level anheben. Nach den Ergebnissen eigener Untersuchungen müssen wir uns zukünftig auch dort mit weiteren Leistungen befassen, wie etwa zusätzlichem Zähneputzen in regelmäßigen Intervallen durch zahnärztliches Personal.

Empfehlen Sie spezielle Hilfsmittel?

Das wichtigste „Hilfsmittel“ scheint mir der Erinnerungszettel zu sein, auf dem dokumentiert wird, ob die Mundpflege an dem jeweiligen Tag bereits stattgefunden hat oder nicht. Es gibt gute Studien, die einen klinischen Mehrwert bei der Nutzung von elektrischen Zahnbürsten gegenüber Handzahnbürsten zeigen. Eine wichtige Rolle spielen auch Interdentalbürsten. In Befragungen durch unsere Arbeitsgruppe bewerteten Patienten es übrigens überwiegend als positiv, bei ihrer Mundpflege unterstützt zu werden. Das galt unabhängig von der Auswahl der Zahnbürste, wohingegen Pflegekräfte in einer eigenen Untersuchung lieber mit elektrischen als mit manuellen Zahnbürsten putzten.


Haben Sie Tipps, wie „schwierige“ Menschen für die Mundhygiene­-Unter­stützung gewonnen werden können?

Zunächst muss genau definiert werden, wer diese „schwierigen“ Menschen sind: Patienten mit „herausforderndem Verhalten“, „uneinsichtige“ Pflegekräfte oder beide? Natürlich stellt die Mundhöhle einen Intimbereich für alle Beteiligten dar, was aus zahnärztlicher Sicht nicht immer nachvollziehbar ist. Aus meiner Erfahrung sollte zunächst in geeigneter Weise erklärt werden, warum bestimmte Mundpflegemaßnahmen notwendig und welches die Risiken sind, wenn diese unterlassen werden. Das gilt sowohl für Patienten als auch deren Angehörige und das Pflegepersonal. Es kann schwierig sein, dies in einem zeitlich an die Praxisstrukturen angepassten Rahmen durchzuführen. Die Instruktion oder praktische Übungen können meist an das zahnärztliche Team delegiert werden, unter Berücksichtigung des gesetzlichen Delegationsrahmens. Mit genügend Geduld wird die Mundpflegeunterstützung irgendwann „normal“.

Was ändert sich durch die neue PAR-Richtlinie in Bezug auf pflegebeürftige Menschen?

Grundsätzlich sehe ich die neue PAR-Richtlinie positiv, da dem parodontalen Behandlungsbedarf in unserer Gesellschaft besser Rechnung getragen wird. Insbesondere ist es zu begrüßen, dass nun für gesetzlich versicherte Menschen mit zugeordnetem Pflegegrad auch die Möglichkeit für einen niedrigschwelligen Zugang besteht. So genügt bei diesen Patienten in begründeten Fällen eine Anzeigepflicht der parodontalen Behandlungsplanung gegenüber der Krankenkasse – bei festgestelltem Therapiebedarf können wir die Behandlung also ohne zeitlichen Verzug beginnen. Werden Patienten gemäß der Parodontitis-Richtlinie nach  Paragraf 22a SGB V außerhalb der systematischen Behandlung therapiert, können jedoch nach meinem Verständnis die neuen Positionen „Parodontologisches Aufklärungs- und Therapiegespräch“ (ATG), Mundhygiene-Instruktion (MHU) sowie die Positionen der „Unterstützenden Parodontitistherapie – Kontrolle (a) und Unterweisung (b)“ (UPTa/b) nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgerechnet werden. Es wird abzuwarten bleiben, wie sich diese neuen Möglichkeiten im Alltag bei Menschen mit Pflegebedarf umsetzen lassen und welcher klinische Nutzen hier erreicht wird.

 

 Dr. Dr. Greta Barbe

 

 

PD Dr. Dr. Greta Barbe

Die Zahnärztin, Ärztin und Privatdozentin Dr. Dr. Greta Barbe arbeitet an der Kölner Universitätszahnklinik im Fachbereich Parodontologie. Sie ist auch Spezialistin für Seniorenzahnmedizin der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnheilkunde (DGAZ) und leitet die entsprechende Arbeitsgemeinschaft ihrer Klinik. Barbes Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Mundhygiene-Konzepte für Pflegebedürftige und Zusammenhänge zwischen oralen und systemischen Erkrankungen. Dr. Jan H. Koch (Freising) befragte sie zu den Themen Mundhygiene und Auswirkungen der neuen PAR-Richtlinie mit den zugehörigen Abrechnungspositionen.