Meine Aufstiegsfortbildung zur Dentalhygienikerin – ein Erfahrungsbericht

Meine Aufstiegsfortbildung zur Dentalhygienikerin – ein Erfahrungsbericht

Teil 1 des Erfahrungsberichtes von Katharina Lühr.

DH Katharina Lühr

Manchmal muss erst etwas Außergewöhnliches passieren, um lang gehegte Gedanken endlich in die Tat umzusetzen. Mein Schlüsselerlebnis liegt gerade mal zwei Jahre zurück: 2018 eröffnete mein Chef uns, seinem langjährigen Praxisteam, dass er bald in den Ruhestand gehen und die Praxis verkaufen werde. Das kann‘s doch nicht gewesen sein, war mein erster Gedanke. Ihm folgten Reflektionen über die zurückliegenden Jahre, über lange verspürte Wünsche und auch Unzufriedenheiten. Aber es dauerte nicht lange bis zu der Entscheidung, meine DH-Ausbildung zu beginnen, noch viel zu lernen und mehr als bisher zu erreichen.

Zwölf Monate Aufstiegsfortbildung liegen hinter mir, auch die DH-Prüfung. Ich hab‘s geschafft – und möchte Sie, die pi-Leserinnen und -Leser, mit meinem zweiteiligen Beitrag motivieren: Dentalhygienikerin zu werden ist zwar nicht ganz leicht, aber die Aufstiegsfortbildung lohnt sich. Es ist ein wunderbarer anspruchsvoller Beruf mit großen Chancen!

Starke Gründe für meinen Wunsch nach mehr Wissen

Ich war 25 Jahren als Zahnmedizinische Prophylaxeassistentin tätig und hatte deshalb gelegentlich das Gefühl, etwas „antiquiert“ zu sein – in meinen Vorstellungen, in meinen Behandlungsmethoden und vielleicht auch in meinem Wissensstand. Obwohl ich im Laufe der Jahre viele Fortbildungen absolviert habe und mein Chef mir mit aktueller zahnmedizinischer Fachliteratur zusätzlich eine eigenständige Weiterbildung ermöglichte, war ich oft mit dem Niveau meiner Tätigkeit nicht zufrieden. Auch deshalb ergaben sich für mich immer wieder neue Fragen, wie z. B.: Warum wird der Knochen abgebaut? Wie genau läuft dieser Prozess ab? Warum bekommen manche Menschen eine Gingivitis, obwohl sie kaum Plaque aufweisen, und warum macht eine gigantische Bakterienmenge anderen wiederum nichts aus?

Es war immer schon mein Wunsch, mehr zu wissen und den Patienten mehr Antworten geben zu können bzw. die Patienten mit dem richtigen Know-how zu „ködern“, damit sie verstehen, warum pathogene Abläufe existieren und womit diese effizient unterbrochen werden können.

Mir gehen ständig Verbesserungsvorschläge und Ideen durch den Kopf, mit denen ich meinen Patienten neue Aspekte vermitteln kann, um ihnen ihre Mund-/Zahnsituation, aber ebenso die Notwendigkeit einer sehr guten Mundhygiene nahezubringen. Ich versuche also, stets die Qualität meiner gesamten Arbeit zu optimieren. Das gelingt nur, wenn man alle Faktoren kennt, die Möglichkeit hat, aus einem großen Pool auszuwählen und der Persönlichkeit entsprechend individuell über die Taktik entscheiden kann. Darüber hinaus bedurfte auch die praktische Komponente meiner Arbeit dringend einer Renaissance.

Mein permanenter Wunsch nach mehr Wissen und das Ziel, mein „Handwerk“ zu optimieren, waren ausschlaggebend bei meiner Entscheidung, nochmals eine richtig gute Weiterbildung – eine Aufstiegsfortbildung zur Dentalhygienikerin – zu belegen.

Offensiv auf Veränderungen reagieren

Dieser Entschluss wurde noch dadurch verstärkt, dass ich „meine alte“ Praxis nach vielen Jahren vertrauter Teamarbeit und eingespielten Abläufen verlassen hatte und in ein neues Arbeitsverhältnis mit anderen Strukturen gestartet war.

Ich beschloss, offensiv auf diese Veränderungen zu reagieren, das Beste daraus zu machen und gleich noch mehr zu ändern. Nämlich mich.

Den neuen Arbeitgeber musste ich selbstverständlich über meine Planung „Aufstiegsfortbildung DH“ informieren und die Arbeitszeiten mit ihm abstimmen.

Unterstützung der Familie

Auch mein Privatleben spielte bei dieser Entscheidung eine wichtige Rolle: Ich habe meinen Mann und meine weitestgehend selbstständigen Kinder gefragt, ob sie damit einverstanden wären, wenn ich mich fortbilde und deshalb unter Umständen kaum noch Zeit für den Haushalt und die Familie haben würde. Die einhellige Meinung war: „Natürlich, Fortbildung ist immer gut!“

Ich selbst stand ebenso auf dem Prüfstand: Wie lange bin ich noch im Berufsleben? Bin ich zu alt für so eine anspruchsvolle Weiterbildung, für das umfangreiche Lernen? Lohnt sich das? Ich kam zu dem Ergebnis, dass es sich selbstverständlich lohnt. Schließlich werde ich noch 15 Jahre arbeiten. Wann, wenn nicht jetzt?

Zusätzlich wurden die Finanzen aus zwei Richtungen beleuchtet. Die eine Richtung bezog sich auf die entstehenden Schulden. Die Aufstiegsfortbildung kostet schließlich eine Menge Geld. Es wird Meister-BAFöG gewährt, das ungefähr 40 % des Kursgeldes ausmacht, aber bei bestandener Prüfung komplett erlassen wird. Die übrigen 60 % des Kursgeldes bekommt man zu sehr günstigen Konditionen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) vorfinanziert. Nach bestandener Prüfung werden weitere 25 % der Kreditsumme erlassen. Meine Schulden betragen nur noch eine kleinere überschaubare Summe. Die andere Seite der Medaille war, dass ich annahm, als ausgebildete DH durch die Ausführung von Parodontitistherapien und den Kompetenzgewinn für die Praxis mehr Geld als als ZMP verdienen zu können.

Mein Entschluss stand: „Ich mache die Aufstiegsfortbildung zur Dentalhygienikerin!“

Vorbedingung: Strahlenschutzausbildung

Eine wichtige Vorbereitung für den Kurs war, dass ich eine komplette Strahlenschutzausbildung absolvieren musste, da ich leider meine regelmäßigen Auffrischungskurse versäumt hatte. Der etwas sperrige Name dieses notwendigen Fortbildungskurses lautet: „Kurs zum Erwerb der erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz bei der Anwendung von Röntgenstrahlen in der Zahnheilkunde für Zahnmedizinische Fachangestellte“, ausgeführt von der Landesanstalt für Personendosimetrie und Strahlenschutzausbildung. Der Kurs dauerte drei Tage und musste demzufolge gut und im Voraus geplant werden. Ich erhielt den letzten möglichen Termin für den Kurs, denn bis November 2018, dem Zeitpunkt der Bewerbung für die Aufstiegsfortbildung, musste ich diesen Kurs und auch einen frischen Erste-Hilfe-Kurs in der Tasche haben.

Dass ich wegen der DH-Ausbildung meinen Musikunterricht kündigen musste, fiel mir sehr schwer. Mein Akkordeon und vor allem mein Klavier sind nicht nur Hobbys für mich. Es ist Muße, Entspannung, Entfaltung, Kunst, Kreativität, Abwechslung und Freude. Dafür sollte bald keine Zeit mehr sein?

Auch für meinen Garten nicht? Ich liebe es, durch meinen Garten zu gehen, zu schauen, wie alles blüht und gedeiht und den Vögeln zuzuhören. Klar, es steckt auch Arbeit im Garten, aber genau das ist ja dann das Hobby. Die Belohnung ist das Durchgehen und Genießen.

Die Annahme zum Kurs, nach erfolgreicher Bewerbung, fand im November 2018 statt. Ich besiegelte den Vertrag zur Aufstiegsfortbildung vom 04.04.2019 bis zum 20.02.2020 mit meiner Unterschrift. Nun war es also offiziell und konnte losgehen!

Da ich auch politisch tätig bin, nutzte ich die Zeit bis zum Kursstart noch intensiv für die Kommunalwahlvorbereitungen, besuchte fast jedes Wochenende Fortbildungsveranstaltungen, Landesdelegiertenversammlungen und las mich ins Kommunalrecht ein. Auch das hat sich gelohnt: Bei den Kommunalwahlen am 26.05.2019 in Brandenburg erlangte ich ein Mandat für „Bündnis90/ dieGRÜNEN“ im Kreistag Havelland.

Der erste Kurstag

Der 04.04.2019 beamte uns 21 Kursteilnehmerinnen in unser Schülerinnendasein zurück. Es wirkte vertraut, bot Annehmlichkeiten wie nette Kommilitoninnen kennenzulernen, feminine Themen auszutauschen und gemeinsam zu lernen. Aber es war auch neu, weil wir wie in der Universität von Professoren und Dozenten unterrichtet wurden, die sonst der Studentenschaft zugeordnet sind. Für mich persönlich war auch neu und etwas Besonderes, die Zweitälteste zu sein. Es gab Mitschülerinnen, die durchaus meine Töchter hätten sein können.

Koryphäen als Referenten

Obwohl meine Schulzeit sehr lange vorbei ist, machte mir der theoretische Unterricht großen Spaß! Gespannt wartete ich auf neuen Input und wurde nicht enttäuscht, denn die organisatorische Leitung der Aufstiegsfortbildung, Zahnärztin Ilona Kronfeld- Möhring, sowie das Team des Philipp- Pfaff-Instituts (PPI), haben durch jahrelanges „Training“ bei der Suche nach den besten und geeignetsten Dozenten alle Register gezogen! Gleich zu Beginn kamen wir in den Genuss des Unterrichts bei Prof. Dr. Jochen Fanghänel, einem Anatomen und Pathologen ersten Ranges mit Lehrstuhl in Regensburg.

Auch andere Koryphäen hatte das Team des PPI gewinnen können. Unter anderem stand Mikrobiologie auf dem Stundenplan. Der Mikrobiologin Dr. Konstanze Vogt merkte man an, dass sie für ihr Fach schwärmt und dass sie begeistert unterrichtet. Wir klebten an ihren Lippen und hatten viel Spaß beim Lernen. Zur Aufwertung ihres Unterrichts brachte sie sogar Petrischalen mit Agar mit, mit denen wir hoch interessante Versuche ausführten. Einer war besonders aktuell, da er einen Aspekt, den Nutzen des Mundschutzes, in der Diskussion um Covid betraf, zu dem selbst anerkannte Virologen, die Bundesapothekerkammer und das Robert- Koch-Institut unterschiedliche Statements gaben.

Versuche mit aktuellem Bezug

Mit Dr. Vogt diskutierten wir zunächst, wie der Mund-Nasen-Schutz zu tragen sei. Mit der hellblauen, glatten Seite nach außen oder spielt es eventuell keine Rolle, wie der Mundschutz angelegt wird? Wie dicht ist er? Wie viel kommt von „Ausgeatmetem“ durch? Der Versuchaufbau war sehr aufschlussreich: Drei Freiwillige hielten jeweils eine Petrischale circa 10 cm vor den Mund. Dr. Vogt gab ihnen einen Text zum Sprechen vor, der besonders viele Konsonanten enthielt, und forderte sie zudem auf, möglichst deutlich und akzentuiert zu sprechen.

In der zweiten Phase erhielten die Testpersonen eine neue Petrischale und eine Maske. Die Schülerinnen wurden aufgefordert, den Text erneut zu sprechen. Das Ergebnis der Untersuchung war verblüffend! Die Agar-Petrischalen der Teilnehmerinnen waren nach dem Bebrüten signifikant unterschiedlich besiedelt! Die Petrischale mit Mundschutz „besprochen“ wies so gut wie keine Kolonien auf. Die Masken erfüllen also ihre Funktion, Speichel, Tröpfchen sowie Aerosol durch Atem und Sprechen abzuschirmen.

Aufbau der Unterrichtsfelder

Sehr zufriedenstellend war für mich der Aufbau der Unterrichtsfelder durch Zahnärztin Kronfeld-Möhring. Sie spannte einen Bogen über fast alle Teilbereiche der Medizin. Die Allgemeinmedizin hat einen beachtlichen Stellenwert für die Zahnmedizin. Dentalhygieniker/innen arbeiten therapeutisch auf einer weitaus invasiveren Ebene am und mit dem Patienten als ein/e zahnmedizinische/r Prophylaxeassistent/ in. Deshalb ist die Vermittlung von umfangreichem Wissen notwendig und daher unterteilte ZÄ Kronfeld-Möhring mit ihrem Team des DH-Seminars den Vorlesungsplan in allgemeine Medizin, wie Physiologie, Pathologie und Anatomie.

Auch Pharmakologie war ein großes Hauptthema, da die DHs auch die Interaktion von Medikamenten für ihren Fachbereich einschätzen und bedenken müssen. Blutverdünnende Medikamente könnten sich z. B. ungünstig während der subgingivalen Therapie auswirken. Die für eine Parodontitistherapie relevanten Medikamente werden gesondert unterrichtet.

Auch die Psychologie, als tragendes Element der Patientenkommunikation und als alles entscheidender Faktor bezüglich Patientencompliance, war mit mehreren Stunden und auch mit videogestützten Selbstversuchen ein wichtiger Beitrag in der Ausbildung. Sie ging gesondert in die Notengebung mit ein.

Parodontologie im Fokus

Das Hauptthema, die Parodontologie, wurde von den besten Dozenten, Prof. Dr. Henrik Dommisch (Direktor der Abteilung für Parodontologie, Oralmedizin und Oralchirurgie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin) und seinem Oberarzt Dr. Peter Purucker sowie Prof. Dr. Bernd-Michael Kleber (Wissenschaftlicher Leiter der DH-Aufstiegsfortbildung am PPI) unterrichtet.

En detail wurde das Thema Parodontologie zwiebelartig aufgebaut, sodass man immer tiefer in die umfassende Materie vordrang und am Ende ein komplettes Bild und ein umfassendes Verständnis vom Geschehen und von allen Zusammenhängen hatte.

Zum theoretischen Teil gehörte auch das Übersetzen und Bearbeiten einer zahnmedizinischen Studie aus Pubmed. Ich sollte eine Power-Point-Präsentation mit meiner Lernpartnerin erstellen und vortragen. Jede Zweiergruppe hatte ein anderes Thema, sodass wir am Ende der Vortragsreihe viel erfahren und dazugelernt hatten. Dieses Vertiefen eines mit der Parodontologie assoziierten Themas verschafft einen deutlich besseren Kenntnisstand.

Das praktische Arbeiten

Die besondere Qualität der Aufstiegsfortbildung zeigte sich vor allem auch durch den praktischen Part. Diplomierte DHs waren für das Erlernen der Arbeit mit Kürette und Scaler im supra- und subgingivalen Bereich zuständig. Fast 50 Stunden saßen wir am Phantomkopf und übten die diffizilen Techniken der Rotation, Angulation und Adaption sowie das effiziente Arbeiten unter maximaler Gewebeschonung. Obwohl ich in der Praxis überwiegend mit Handinstrumenten arbeite, empfand ich diese Übungen nicht als lästig, denn die anspruchsvolle Hebeltechnik bedarf ausreichender Übungszeit.

Beim praktischen Arbeiten wurde stets auch auf die Sitzhaltung des Behandlers und die Sitzposition des Patienten geachtet.

Schon während der Stunden am Phantomkopf erfuhren wir angehenden DHs, wie essenziell das gewebeschonende Arbeiten für das Überleben möglichst vieler Zellen ist, die zur Regeneration und Heilung notwendig sind. Es fand keine Kürettage mehr statt, da der Abtrag aller Störfaktoren von der Wurzel gleichwertig ist. So ist es eine Gradwanderung zwischen Gewebeschonung auf der einen Seite und Reinigung und Glättung der Wurzeloberfläche mit scharfen Instrumenten auf der anderen Seite.

Der klinische Ausbildungsteil

Der klinische Teil der Ausbildung fand in Räumen der Charité an Stammpatienten des PPI und an neuen therapiebedürftigen Patienten statt. Jede zukünftige DH soll mindestens eine Parodontaltherapie mit Initialtherapie, Fotodokumentation, Auswertung der Röntgenbilder, Diagnosestellung, Antragstellung, eigentlicher Therapie und anschließender Reevaluation und Prognose für den Patienten durchführen.

Teil der praktischen und mündlichen Prüfung war auch, anhand der Röntgenbilder eventuelle resektive sowie regenerative chirurgische Maßnahmen vorzuschlagen und mit dem jeweiligen Zahnarzt zu diskutieren.

Nicht alle Patienten sind zuverlässig. So konnte ich zu meinem Bedauern keine vollständige Behandlung bei der dafür vorgesehenen Patientin durchführen.

Die meisten Patienten kamen zur unterstützenden Parodontitistherapie (UPT). Sondierungstiefen, Plaque-Indizes und relevante anamnestische Besonderheiten wurden erfasst und genau dokumentiert.

Die praktischen Übungsstunden in der Klinik fielen mir nicht leicht. Nach 25 Jahren Patientenbehandlung sollte ich mich wieder in den Schülermodus begeben. Viele der Dokumentationspflichten sind mühsam und zeitraubend, im Klinikbetrieb wohl aber nicht anders möglich. Die Betreuer agierten leider nicht immer einheitlich, was die Situation kompliziert gestaltete.

DH Katharina Lühr
Schönwalde-Glien

Der Erfahrungsbericht wird fortsetzt.