Beitrag 3/19: Effektivität zweier Handzahnbürsten mit unterschiedlich großen Bürstenköpfen

Warum die generelle Empfehlung von manuellen Kurzkopfzahnbürsten hinterfragt werden sollte. Eine Studie.

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Zusammenfassung

Ziel der Studie war die Untersuchung der Effektivität von zwei gleichartigen Handzahnbürsten mit unterschiedlich großen Bürstenköpfen in einer randomisierten klinischen Studie nach acht Wochen. Sechzig gesunde Freiwillige (30 ♀, 30 ♂) nahmen an der untersucherblinden Studie im Parallel-Design teil. Nach einer Screening Untersuchung und Stratifizierung nach Geschlecht und Papillen-Blutungs-Index (PBI) wurden die Teilnehmer randomisiert auf zwei Gruppen verteilt (jeweils n = 30): Gruppe 1 (TePe select, Bürstenkopf 25,8 x 11,6 mm), Gruppe 2 (TePe compact, Bürstenkopf 21,2 x 9,6 mm). Die Studienteilnehmer wurden angewiesen, zweimal täglich jeweils zwei Minuten mit der zugewiesenen Zahnbürste unter Anwendung der modifizierten Bass-Technik zu putzen. Alle Studienteilnehmer verwendeten die gleiche Zahnpasta (Colgate Total®). Zur Eingangsuntersuchung sowie jeweils nach vier und acht Wochen wurden der Quigley-Hein-Plaque-Index (QHI), der modifizierte Approximalraum-Plaque-Index (mAPI) sowie der PBI erhoben. Veränderungen zwischen den Untersuchungen zu Beginn und nach vier bzw. acht Wochen wurden als Mediane berechnet. Die Null-Hypothese ging davon aus, dass kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen nachweisbar sei. Die schließende Statistik erfolgte mit Mann-Whitney-U-Test. Zwischen Eingangs-Untersuchung und der Untersuchung nach vier Wochen wurden folgende Veränderungen ermittelt (Mediane, positive Werte = Verbesserungen) (QHI, mAPI, PBI): Gruppe 1: 0,07; 0,09; 0,22; Gruppe 2: 0,18; 0,04; 0,09. Zwischen Eingangs-Untersuchung und der Untersuchung nach acht Wochen wurden folgende Veränderungen gefunden: Gruppe 1: 0,21; -0,05; 0,43; Gruppe 2: 0,13; -0,04; 0,18. In Bezug auf QHI und mAPI wurden keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen gefunden. In Bezug auf den PBI waren die Verbesserungen in Gruppe 1 sowohl nach vier als auch acht Wochen statistisch signifikant größer (p < 0,05). Daher wurde die Null-Hypothese abgelehnt. Es wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass die Zahnbürste mit dem größeren Bürstenkopf in Bezug auf den PBI der Zahnbürste mit kleinerem Bürstenkopf überlegen ist und dass für die beiden Plaque-Indizes (QHI und mAPI) kein Unterschied besteht. Daher könnte die Empfehlung der Verwendung von Kurzkopfzahnbürsten in Frage gestellt werden.

Von Prof. Dr. Stefan Zimmer und Dr. Stephanie Pohlmann Mehr zu den Autoren.

Quintessenz für das Praxisteam

Die Studie legt nahe, dass die generelle Empfehlung von manuellen Kurzkopfzahnbürsten hinterfragt werden sollte. Sie liefert Hinweise darauf, dass die Qualität der Mundhygiene bei Verwendung einer Zahnbürste mit größerem Bürstenkopf möglicherweise effektiver sein kann.

Einleitung

Der orale Biofilm ist ein essenzieller ätiologischer Faktor bei der Entstehung von Karies und Gingivitis (1, 2). Daher ist seine sorgfältige regelmäßige Entfernung eine wesentliche Maßnahme zur Vorbeugung dieser Erkrankungen. Nach den bevölkerungsrepräsentativen Untersuchungen des Institutes der Deutschen Zahnärzte hat sich das Mundhygieneverhalten in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren in allen untersuchten Alterskohorten kontinuierlich und deutlich verbessert (3). Während z. B. bei den Zwölfjährigen im Jahre 1997 noch 72,5 % ein eher schlechtes und nur 27,5 % ein eher gutes Mundhygieneverhalten zeigten, lagen die entsprechenden Werte 2016 bei 45,1 % (eher gut) und 54,9 % (eher schlecht). Die Definition für ein „eher gutes“ Mundhygieneverhalten lautete wie folgt: „mindestens 2x täglich putzen/nach einer Mahlzeit bzw. vor dem Zubettgehen/mindestens 2 Minuten“ (3). Auch die Qualität der Mundhygiene, gemessen am Papillen- Blutungs-Index (PBI) (4), hat sich in dem genannten Zeitraum zumindest bei Kindern in Deutschland verbessert (5). Allerdings betrifft das nur die starken Blutungsgrade (PBI 3 und 4), bei denen in der Summe eine Abnahme von 36,1 % auf 9,1 % beobachtet werden konnte. Der Anteil der Kinder, die überhaupt keine Blutungsstellen und damit kein entzündetes Zahnfleisch aufwiesen, blieb nahezu unverändert (1997: 22,2 %; 2016: 22,3 %) (5). Trotz erheblicher Verbesserungen sowohl im Mundhygieneverhalten als auch in der Ergebnisqualität gibt es also noch einen deutlichen Bedarf, die Mundhygiene in der Bevölkerung weiter zu optimieren. Dies kann sowohl durch intensivierte Maßnahmen zur Verbesserung des Mundhygieneverhaltens geschehen als auch durch gezieltere Empfehlung der individuell abgestimmten optimalen Hilfsmittel für die häusliche Mundhygiene.

Nach aktuellen Daten verwenden 54,6 % der Zwölfjährigen eine Handzahnbürste, bei den 35- bis 44-Jährigen sind es 52,9 % und bei den 65- bis 74-Jährigen 64,3 %. (6). Mehr als die Hälfte der Bevölkerung benutzt demnach zur täglichen Mundhygiene eine Handzahnbürste, womit diese immer noch das am häufigsten benutzte Hilfsmittel für die tägliche Mundhygiene darstellt. Obwohl es keine wissenschaftliche Grundlage dafür gibt, werden üblicherweise Handzahnbürsten mit kurzem Bürstenkopf empfohlen. Der Grund hierfür ist die Enge der Mundhöhle, die zu der Annahme führt, dass mit einem kurzen Bürstenkopf Plaquenischen besser als mit einem größeren Bürstenkopf erreicht werden können. Auf der anderen Seite ist offensichtlich, dass mit einer größeren Bürste in der gleichen Zeit eine größere Fläche gereinigt werden kann. Da die für das Zähneputzen aufgewendete Zeit einer der kritischsten Faktoren ist und üblicherweise nicht lange genug geputzt wird (7, 8), stellt sich die Frage, ob nicht ein größerer Zahnbürstenkopf, mit dem in der gleichen Zeit mehr Fläche gereinigt werden kann, von Vorteil sein könnte. Ziel der vorliegenden Studie war daher die Untersuchung der Effektivität zweier Handzahnbürsten mit unterschiedlich großen Bürstenköpfen.

Material und Methoden

Probanden

Sechzig gesunde Freiwillige (30 ♀, 30 ♂) nahmen an der randomisierten klinischen Studie im Parallel-Design teil. Die Fallzahlbestimmung erfolgte mit G*Power (Freeware, Heinrich-Heine- Universität Düsseldorf) unter Zugrundelegung des wichtigsten Index, des PBI, und unter Annahme einer minimalen Effektgröße von 0,35, eines α-Fehlers von 0,05 und einer Power von 80 %. Dies ergab eine Gruppengröße von 2 x 23 Probanden, die auf Grund eines erwarteten Drop-Outs auf 2 x 30 aufgerundet wurde. Die Studie wurde in der Zahnarztpraxis „Praxis am Wall“ in Menden/Sauerland durchgeführt und mit der Antragsnummer 56/2014 von der Ethik-Kommission der Universität Witten/Herdecke genehmigt. Die Studienteilnehmer wurden mit Hilfe eines im Wartezimmer platzierten Aushanges auf die Studie aufmerksam gemacht und um freiwillige Teilnahme gebeten.

Einschlusskriterien waren:

  • Mindestens 18 Jahre alt
  • Guter allgemeiner Gesundheitszustand
  • Gute Mundgesundheit (Zähne, Zahnfleisch und Schleimhäute)
  • Mindestens 16 natürliche nicht überkronte Zähne
  • Plaque-Index (Quigley-Hein-Plaque-Index, modifiziert nach Turesky) ≥ 2
  • PBI/Zahn ≥ 0,5
  • Fähigkeit zum Verständnis und Bereitschaft zum Einhalten aller aus der Studie erwachsenden Maßnahmen und Vorschriften
  • Erhalt einer unterschriebenen und datierten Studieninformation sowie Einwilligung in die Studie (informed consent).

Ausschlusskriterien waren:

  • Schwangerschaft oder Stillzeit
  • Einnahme von Antibiotika innerhalb der letzten 14 Tage vor dem ersten Untersuchungstermin sowie jede Behandlung, die den Studienablauf und/oder die Ergebnisse beeinflusst
  • Allgemeinerkrankungen:
    • Diabetes Typ I und II
    • Jede andere Erkrankung, die ein Gesundheitsrisiko für den Patienten darstellen könnte oder den Studienablauf und/oder die Ergebnisse beeinflusst
  • Zahnmedizinische Gründe
    • Herausnehmbare Zahnprothesen
    • Aggressive oder schwere chronische Parodontitis
  • Bekannte oder vermutete Allergie gegen Inhaltsstoffe der verwendeten Zahnpasta
  • Teilnahme an einer anderen klinischen Studie oder Verwendung eines experimentellen Produktes innerhalb von 30 Tagen vor der Screening-Untersuchung
  • Vorherige Teilnahme an dieser Studie
  • Abusus von Alkohol oder einer anderen Substanz innerhalb eines Jahres vor Beginn der Studie.

Studiendesign

Die Probanden wurden anhand einer Screening-Untersuchung auf ihre Eignung zur Teilnahme untersucht. Anschließend wurden die ausgewählten Probanden nach Stratifizierung nach Geschlecht und Qualität der Mundhygiene randomisiert auf zwei Gruppen verteilt. Ein PBI < 0,8 galt als Indikator für eine eher gute, ein Wert ≥ 0,8 für eine eher schlechte Mundhygiene. Die Zuteilung erfolgte durch zuvor vorbereitete verschlossene Briefumschläge. Gruppe 1 verwendete die Bürste mit dem großen Bürstenkopf (TePe select, TePe D-A-CH GmbH, Hamburg), Gruppe 2 die mit dem kurzen (TePe compact, TePe D-A-CH GmbH, Hamburg), beide in mittlerer Borstenhärte (Abb. 1). Alle Studienteilnehmer erhielten die gleiche Zahnpasta (Colgate Total®, CP GABA, Hamburg). Die Aushändigung der Produkte erfolgte durch eine Person, die nicht an der Studie beteiligt war. Zu Beginn der Studie sowie nach vier Wochen erhielt jeder Proband eine neue Tube Zahnpasta. Die Tuben wurden jeweils nach Benutzung eingesammelt und der restliche Inhalt gewogen, um die Compliance der Probanden zu überprüfen. Die zugeteilte Zahnbürste wurde während der gesamten Studiendauer von acht Wochen benutzt.

Alle Untersuchungen wurden untersucher- Literaturverzeichnis: blind durch eine Zahnärztin (S.P.) durchgeführt. Die Studie umfasste eine Eingangsuntersuchung, eine Zwischenuntersuchung nach vier Wochen und eine Abschlussuntersuchung nach acht Wochen. Zu jedem Termin wurden folgende Indizes erhoben: Quigley-Hein-Index, modifiziert durch Turesky (QHI) (9, 10), modifizierter Approximalraum- Plaque-Index (mAPI) (11, 12) sowie Papillen-Blutungs-Index (PBI) (4). Um eine vergleichbare Qualität der Datenerhebung bei allen Untersuchungen zu gewährleisten, überprüfte die Untersucherin (S.P.) vor Studienbeginn durch wiederholte Untersuchungen an fünf Testpersonen, die nicht zur Studienpopulation gehörten, die Reproduzierbarkeit der Erhebung der beiden Indizes QHI und mAPI (Intra-examiner reliability, Kappa-Test). Der Kappa-Koeffizient lag bei 0,86, was einer „(fast) vollkommenen ((almost) perfect)“ Übereinstimmung entspricht. (13) Da der PBI nicht wiederholt beurteilt werden kann, wurde hierfür keine Reproduzierbarkeit ermittelt.

Nach der Eingangsuntersuchung wurden die Studienteilnehmer instruiert, zweimal täglich jeweils zwei Minuten mit der zugewiesenen Zahnbürste unter Anwendung der modifizierten Bass-Technik zu putzen (14). Diese Instruktion schloss eine Unterweisung in der Putztechnik ein. Es wurden digitale Stoppuhren zur Kontrolle der Zahnputzzeit ausgehändigt. Während der Studiendauer von acht Wochen war die Benutzung jeglicher Mundhygieneprodukte, außer der zugewiesenen, untersagt. Zur Entfernung von Speiseresten im Interdentalraum wurden jedem Studienteilnehmer Kunststoffstocher der Firma TePe® ausgehändigt (Abb. 2). Die Probanden wurden angehalten, die letzte Mundhygienemaßnahme spätestens zwei Stunden vor dem jeweiligen Untersuchungstermin durchzuführen. Jeder Proband erhielt zusätzlich alle Anweisungen in schriftlicher Form. Im Anschluss an die Abschlussuntersuchung erhielt jeder Teilnehmer eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 50,00 €.

Statistische Auswertung

Da der Kolmogrov-Smirnov-Test keine Normalverteilung der Daten zeigte, wurden Veränderungen zwischen den Untersuchungen zu Beginn und nach vier bzw. acht Wochen als Mediane berechnet. Diese Veränderungen wurden berechnet, indem jeweils von den Werten der Indizes zur Eingangsuntersuchung die Werte nach vier bzw. acht Wochen subtrahiert wurden (z. B. Δ1PBI = PBIBeginn - PBI4 Wochen). Diese Art der Berechnung hat zur Folge, dass Verbesserungen der Indizes sich als positive und Verschlechterungen als negative Werte darstellen. Die Null-Hypothese ging davon aus, dass kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen nachweisbar sei. Die schließende Statistik erfolgte mit dem Mann-Whitney- U-Test.

Resultate

Das durchschnittliche Alter der Probanden in Gruppe 1 lag bei 31,2 Jahren (StA 9,8 Altersspanne: 18-50 Jahre) und in der Gruppe 2 bei 33,2 Jahren (StA 11,2, Altersspanne: 18-58 Jahre). Der Altersunterschied war statistisch nicht signifikant (t-Test, p = 0,46). Der Zahnpastaverbrauch lag in der Gruppe 1 bei 89,5 Gramm (StA 45,0) und in der Gruppe 2 bei 79,3 Gramm (StA 31,2). Dieser Unterschied war statistisch ebenfalls nicht signifikant (t-Test, p = 0,31).

  QHI mAPI PBI
  Median (Min.;Max.) Median (Min.;Max.) Median (Min.;Max.)
Gruppe 1 großer Kopf (TePe select) 2,65 (2,00; 3,68) 2,13 (1,32; 2,88) 0,80 (0,54; 2,08)
Gruppe 2 kurzer Kopf (TePe compact) 2,70 (2,00; 3,61) 2,21 (1,15; 2,92) 0,80 (0,48; 3,25)
  n.s. (p=0,88) n.s. (p=0,53) n.s. (p=0,91)

Tabelle 1 zeigt die Daten der Indizes der Eingangsuntersuchung im Vergleich beider Gruppen. Es bestand kein statistisch signifikanter Unterschied (Mann-Whitney-U-Test) zwischen den Gruppen. Tabelle 2 und Abbildung 3 zeigen die Veränderungen zwischen Eingangsuntersuchung und der Untersuchung nach vier und acht Wochen. Während für die Plaque-Indizes weder nach vier noch nach acht Wochen statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen festzustellen waren, zeigte sich für den PBI bereits nach vier Wochen ein statistisch signifikanter Unterschied zu Gunsten der Zahnbürste mit dem größeren Kopf. Dieser Unterschied verstärkte sich nach acht Wochen. Die Reduktion des PBI lag in der Gruppe, welche die Zahnbürste mit dem großen Bürstenkopf (Gruppe 1) verwendete, um den Faktor 2,4 höher als bei den Verwendern der Zahnbürste mit dem kleinen Kopf. Daher wurde die Null-Hypothese für die Plaque-Indizes beibehalten, während sie für den PBI abgelehnt wurde.

 

      QHI mAPI PBI
      Gruppe 1
    großer Kopf
    (TePe select)
    Gruppe 2
    kurzer Kopf
    (TePe compact)
    Gruppe 1
    großer Kopf
    (TePe select)
    Gruppe 2
    kurzer Kopf
    (TePe compact)
    Gruppe 1
    großer Kopf
    (TePe select)
    Gruppe 2
    kurzer Kopf
    (TePe compact)
    Diff. nach vier
    Wochen: Median
    (Min.; Max.)
    0,07
    (-0,38; 1,08)
    0,18
    (-0,86; 0,54)
    0,09
    (-0,67; 0,52)
    0,04
    (-0,75; 0,75)
    0,22
    (-0,18; 1,18)
    0,09
    (-1,23; 1,57)
    Diff. nach acht
    Wochen: Median
    (Min.; Max.)
    0,21
    (-0,50; 0,61)
    0,13
    (-0,65; 0,63)
    -0,05
    (-0,71; 0,71)
    -0,04
    (-0,85; 0,79)
    0,43
    (-0,37; 1,13)
    0,18
    (-0,80; 1,54)
    Sign. nach vier
    Wochen
    n.s. n.s. p=0,02
    Sign. nach acht
    Wochen
    n.s. n.s. p=0,02

    Diskussion

    Die vorliegende Studie wurde einfach blind und nicht, wie in einer klinischen Studie erwünscht, doppelblind durchgeführt. Das ist bei Zahnbürsten-Studien grundsätzlich nicht möglich, da für den Probanden ja immer erkennbar ist, welche Zahnbürste er verwendet. Bei einer Vergleichsstudie zwischen einer elektrischen und einer manuellen Zahnbürste ist das wahrscheinlich ein Nachteil, weil der Proband davon ausgehen dürfte, dass eine elektrische Zahnbürste effektiver ist und er dadurch stärker als der Benutzer der Handzahnbürste motiviert wird. In der vorliegenden Studie dürfte dieser Effekt jedoch keine Rolle gespielt haben, weil beide Zahnbürstentypen Standard-Produkte sind, nahezu gleich aussehen und für den Benutzer in beiden Fällen keine besondere Wirksamkeit suggeriert wird.

    Die Produkte „select“ und „compact“ der Firma TePe wurden ausgewählt, weil zwei Zahnbürsten-Typen miteinander verglichen werden sollten, die sich ausschließlich in der Größe des Bürstenkopfes unterschieden. Außerdem sollten die Bürsten einem Standard-Design (flacher Bürstenschnitt, parallel angeordnete Borsten) entsprechen. Beide Bedingungen wurden von den ausgewählten Produkten erfüllt.

    Die Testpersonen wurden instruiert, Ihre Mundhygiene nach der modifizierten Bass-Technik auszuüben. Diese Technik wurde gewählt, da sie weltweit die am häufigsten empfohlene Mundhygienetechnik darstellt (15). Es erfolgte keine weitere präventive Intervention im Sinne einer professionellen Zahnreinigung.

    Die Probanden durften während der Studie nur die zugewiesenen Hilfsmittel für die tägliche Mundhygiene verwenden. Um trotzdem eine Entfernung von Speiseresten aus Interdentalräumen zu ermöglichen, erhielten die Probanden einfache Plastik-Zahnstocher der Firma TePe (s. Abb. 2). Diese sind mittlerweile nicht mehr im Handel.

    Zu Beginn der Studie lag kein statistisch signifikanter Unterschied hinsichtlich der drei Indizes QHI, mAPI und PBI zwischen beiden Gruppen vor. Daher konnte von vergleichbaren Ausgangssituationen in beiden Gruppen ausgegangen werden. Trotzdem sollten nicht die Absolutwerte nach vier und acht Wochen für den Vergleich der Wirksamkeit beider Produkte herangezogen werden, sondern die Veränderungen zu den jeweiligen Zeitpunkten. Dies wurde in der Studienplanung so festgelegt, um zu verhindern, dass ggf. zu Beginn der Studie zwischen beiden Gruppen gefundene kleine Unterschiede, auch wenn sie nicht statistisch signifikant sind, das Ergebnis beeinflussen. Die Veränderungen der Plaque-Indizes QHI und mAPI zwischen Eingangsuntersuchung und den Untersuchungen nach vier und acht Wochen zeigten keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Ein statistisch signifikanter Unterschied konnte hingegen für den PBI sowohl nach vier als auch nach acht Wochen zu Gunsten der Gruppe 1 (großer Bürstenkopf) gefunden werden. Während in der Gruppe 1 eine Verbesserung um 0,43 ermittelt wurde, lag der entsprechende Wert in der Gruppe 2 bei lediglich 0,18. Es stellt sich die Frage, wie die unterschiedlichen Ergebnisse für QHI und mAPI einerseits und den PBI andererseits zu bewerten sind. Plaque-Indizes können durch einmaliges Zähneputzen leicht beeinflusst werden. Der PBI ist im Gegensatz dazu weniger beeinflussbar und aussagekräftiger, weil sich eine bestehende Gingivitis und damit auch die Blutungsneigung der Gingiva erst durch effektive Plaque-Entfernung über einen mehrtägigen Zeitraum zurückbildet (1). Die Tatsache, dass sich bei den Plaque-Indizes keine durchgängig positive und zwischen den Gruppen unterschiedliche Entwicklung zeigte, kann auch darauf zurückzuführen sein, dass die Probanden angehalten waren, mindestens zwei Stunden vor den Untersuchungen keine Mundhygiene zu betreiben. Diese wurde von einem größeren Teil der Probanden dadurch realisiert, dass sie nach dem Frühstück die Zähne putzten und nach der Arbeit am Nachmittag zur Untersuchung in die Praxis kamen. Das bedeutet, dass über mehrere Stunden keine Plaque-Entfernung stattgefunden hatte. Die bakterielle Besiedelung einer gereinigten Zahnoberfläche beginnt jedoch bereits nach ca. zwei Stunden erneut. (16) Die vorliegende Studie ist nach dem besten Wissen der Autoren die bislang einzige klinische Studie, welche den Einfluss der Größe des Kopfes einer Handzahnbürste auf die Effektivität der Mundhygiene untersucht. Daher ist eine Würdigung der Ergebnisse im Spiegel vergleichbarer klinischer Studien nicht möglich.

    Schlussfolgerungen

    Zahnbürsten mit einem größeren Bürstenkopf scheinen in Bezug auf die Qualität der Mundhygiene gleichartigen Zahnbürsten mit kleinerem Bürstenkopf zumindest nicht unterlegen zu sein. Für den aussagekräftigsten Mundhygiene-Index, den PBI, wurde sogar eine Überlegenheit nachgewiesen. Damit könnte das alte Dogma der Empfehlung von Kurzkopfzahnbürsten in Frage gestellt werden.

    Die Autoren

    Prof. Dr. Stefan Zimmer, Dr. Stephanie Pohlmann
    Universität Witten/Herdecke
    Fakultät für Gesundheit
    Department für Zahn-, Mundund Kieferheilkunde

    Abteilung für Zahnerhaltung und Präventive Zahnmedizin
    Alfred-Herrhausen-Str. 50
    58448 Witten

    Literaturverzeichnis

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