Besser auf die Untersuchung misshandelter Kinder vorbereiten

Kinder- und Jugendärzte spielen als primäre Ansprechpartner zu Gesundheitsthemen eine Schlüsselrolle bei der Aufdeckung von Kindesmisshandlung.

Jedoch sind sie oftmals enorm emotional gestresst und in der Folge unsicher, wenn sie erste Anzeichen dafür bemerken. Auffallend ist, dass dieses Phänomen bei jungen wie erfahrenen Ärzten auftritt.

Louisa Thiekötter ist selbst Kinder- und Jugendärztin in Weiterbildung an der Vestischen Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Datteln, einem Kooperationskrankenhaus der Universität Witten/Herdecke (UW/H). In ihrer Promotionsarbeit sammelte sie Daten dazu, wie gestresst Kinderärzte sind, wenn sie womöglich misshandelte Kinder oder Jugendliche untersuchen. „Der Stressgrad, den die befragten Ärzte angeben, übersteigt deutlich klassische Notfallsituationen in der Primärversorgung. Das ist ein Zeichen dafür, dass es hier in der Ausbildung, aber auch in der Bereitstellung von Ressourcen Verbesserungsbedarf gibt“, fasst Thiekötter die Ergebnisse zusammen. „Zwar sind Ärzte grundsätzlich vertraut mit der Kinderschutzleitlinie, doch nicht immer sind die Anzeichen einer Kindeswohlgefährdung eindeutig als solche einzuordnen“, ergänzt Prof. Dr. med. Oliver Fricke, Co-Autor der daraus entstandenen Publikation. „Auch in der Kommunikation mit Eltern oder Behörden fehlen häufig konkrete, praxistaugliche Prozesse und Informationen zur Umsetzung der Gespräche. Zudem ist der fachliche sowie interdisziplinäre Austausch – zum Beispiel zum eng benachbarten Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie und zur Psychotherapie – ausbaufähig.“

Ausbildung verbessern

Die Untersuchung wurde vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte unterstützt. Die nun vorliegenden Ergebnisse sollen dazu genutzt werden, die notwendigen Verbesserungen im Umgang mit Stressoren im Kinderschutz anzustoßen und dadurch die fachliche Versorgung in diesem Gebiet weiterzuentwickeln. Insbesondere könnten gesundheitspolitisch veranlasste Änderungen in der Ausbildung der Kinder- und Jugendärzte verstärkt werden, sodass diese für solch belastende Situationen besser ausgebildet werden. Dann könnten auch die bereits bestehenden Gesetze und Leitlinien effektiver greifen.

Bitte beachten Sie dazu auch die beiden im Magazin prophylaxe impuls veröffentlichten Beiträge: 

Heft 2/2020: Schäfer M, Bergmann A, Schläger F. Zahnmedizin und Kinderschutz – Welche Rolle spielen hier Zahnärzte und ihre Teams?

Heft 3/2020: Schmidt U, Erfurt C, Flössel U. Kindeswohlgefährdung – eine rechtsmedizinische Betrachtung

 

Literaturverzeichnis:

Thiekötter L, Schmidt P, Scheiderer ML, Wuram HL, Paulussen M, Reis D, Fricke O. How stressful is examining children with symptoms of child abuse? – Measurement of STRESS APPRAISAL (SAM) in German physicians with key expertise in pediatrics. Children. 2022;9(10):1578. https://doi.org/10.3390; https://www.mdpi.com/1892938